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recht befähigt erwiesen hat, z. Th. weil sich die eigentlichen Fachleute (von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen) zu sehr fern hielten, z. Th. weil anderseits auch die kleinsten Vereine direct vertreten waren, und dadurch schon die halbdilettantischen Kräfte überwogen, die im kleinen Kreise sehr am Platze sind, denen für grössere Aufgaben aber doch die rechte Schulung und die rechten Gesichtspunkte fehlen. Dem etwa noch verbleibenden Bedürfniss nach directen Beziehungen zwischen den Localvereinen und Localforschern könnte der Gesammtverein durch Versammlungen in grösseren Zwischenräumen entsprechen.

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Das Thema der Landesgeschichtsforschung wurde am dritten Versammlungstage in einer besonderen Form noch einmal aufgenommen. Dr. Sieglin, Bibliothekscustos in Leipzig, entwickelte den Plan einer neuen Bearbeitung des grossen Spruner-Mencke’schen Historischen Atlas. Die Abtheilung Alterthum ist bekanntlich schon im Erscheinen begriffen. Für das Mittelalter, dem eine sehr viel grössere Zahl von Blättern als in der letzten Auflage eingeräumt ist, erbat Dr. Sieglin die Unterstützung der Fachgenossen. Besonders die Aufgaben, welche die politische Kartographie Deutschlands im Mittelalter an den Bearbeiter stellt, sind zum grossen Theil nur auf dem Boden der Localforschung zu lösen. Die wirksame Unterstützung dieses grossen Kartenwerkes ist deshalb der Landesgeschichtsforschung und jedem einzelnen Fachgenossen dringend zu empfehlen. Allem Anschein nach werden mündliche Anregung und persönliche Anknüpfung hier in der That zu einem Zusammenarbeiten führen, das in schriftlichem Verkehr und ohne Historikertag nicht zu erzielen gewesen wäre.

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Auch der Vortrag, der am Nachmittage des zweiten Versammlungstages zur Vorbereitung des Ausfluges nach Meissen gehalten wurde, darf in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Reg.-Rath Dr. v. Seidlitz sprach über die spätgothische Kunst im Königreich Sachsen. Zwar ging der Redner schliesslich zu allgemeinen, vom landschaftlichen Boden losgelösten Betrachtungen über, aber durchaus im Vordergrund stand, schon durch die besondere Beziehung zu den Meissener Denkmälern, das Interesse an der territorialen Kunstentwicklung. Auch ein Aufsatz der „Festgabe“ zeigt gerade an einem Problem der Meissener Baugeschichte, wie die kunsthistorische Forschung in die landesgeschichtlichen Arbeiten eingreift.

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IV. Grundsätze für die Herausgabe von Actenstücken zur neueren Geschichte sollten am dritten Tage den Hauptgegenstand der Verhandlungen bilden. Das Thema war im vorigen Jahre durch Dr. Pribram angeregt worden, und das Leipziger Comité hat sich ein entschiedenes Verdienst erworben, als es dieser Anregung folgte. Das Thema steht zu dem vorhergehenden in einem gewissen inneren Zusammenhang. Dieselbe Entwicklung, die die Landesgeschichtsforschung in den Vordergrund des Interesses geschoben hat, führt auch dazu, dass umfassende wissenschaftliche Quellenpublicationen aus neuerer Geschichte eine immer bedeutendere Stelle in der historischen Gesammtliteratur einnehmen und dass das Bedürfniss nach Verständigung immer dringender wird, da gleichzeitig an so vielen verschiedenen Stellen verschieden vorgebildete Kräfte sich an ähnliche

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_199.jpg&oldid=- (Version vom 10.5.2023)