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und glücklicheren Angriffspunkt“ finden zu können als eben mich, den bedeutendsten Vertreter „von nicht bloss einer, sondern eigentlich zwei entgegenstehenden Auffassungen“ (S. 12). Mich zu widerlegen hält er nicht für ein überflüssiges Werk, wie es (um eine Probe von der gebildeten Ausdrucksweise des Herrn Pfarrers [S. 12] zu geben) eins sein würde, „einen Todten noch tödter zu machen, denn als todt gebärdet sich Prutz weder selbst, noch wird, dass er todt ist, allgemein genügend erkannt“. Diese Widerlegung scheint ihm aber nicht einmal eine negative Arbeit, weil durch sie zugleich die wichtigsten Beweise für die Unschuld des Ordens zu gewinnen seien.

Meine gesellschaftlichen Gewohnheiten bewahren mich davor, in den Ton zu verfallen, den Gmelin hier und an vielen anderen Stellen anschlägt. Auf derartige Expectorationen, die wissenschaftliche Beweisführung durch Schmähen des Gegners ersetzen, wäre vielleicht Schweigen die beste Antwort. Aber die Achtung vor der Wissenschaft, die durch eine sachliche Erörterung der Controverse gefördert wird, nöthigt mich, die Gmelin’sche Darstellung nicht ungeprüft zu lassen, zumal durch etliche der dabei vorzubringenden Momente die Erkenntniss der in diesem Punkte noch so heiss umstrittenen historischen Wahrheit vielleicht gefördert wird. Nur sei es mir gestattet, im Anschluss an die Charakteristik des von Gmelin beliebten Tons eine allgemeine Bemerkung vorauszuschicken, die ich – und mit mir, glaube ich, mancher Fachgenosse – schon lange auf dem Herzen habe, und für die ich daher bei allen denjenigen auf Zustimmung rechnen zu dürfen hoffe, denen unsere Wissenschaft über alle persönlichen Interessen geht.

Ehemals genossen bekanntlich die Philologen des zweifelhaften Rufes leidenschaftlicher Heftigkeit und ausfallender Grobheit bei der Ausfechtung ihrer wissenschaftlichen Controversen: dermalen sind sie darin von gewissen Kreisen der jüngeren Historiker weit überflügelt. Ich brauche nicht Namen zu nennen und nicht bestimmte Beispiele anzuführen, um verstanden zu werden, wo man der Entwicklung der literarischen Kritik im Gebiete der Geschichtschreibung während der letzten Jahre aufmerksam gefolgt ist. Statt unbefangener Prüfung des Versuchten, ehrlicher Anerkennung des etwa Gelungenen und sachlicher Widerlegung oder Berichtigung des Verfehlten läuft die

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_246.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)