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haben, weil er sie als die schwächeren erkannt hatte, und die öffentliche Meinung gegen sie erregt wusste. Diese Auffassung befremdet um so mehr, als doch Lea auch den Punkt wenigstens streift, von dem aus füglich der ganze Vorgang aufgefasst werden muss. „Eine solche Körperschaft von gewaffneten Kriegern“, sagt er (III, S. 253), „war eine Anomalie in der feudalen Organisation; da die Templer ihre militärische Thätigkeit im Osten aufgegeben zu haben schienen, mag Philipp in ihnen ein Hinderniss gesehen haben für die Entwürfe zu monarchischer Machterweiterung, die er bei der ersten günstigen Gelegenheit zu verwirklichen dachte“. Ich möchte fast meinen: hätte Lea das reiche Material gekannt, das ich über den Besitz und die Macht des Ordens in Frankreich zusammengebracht habe, er würde dieser Seite der Sache vielleicht noch weiter nachgegangen sein. Denn es ist doch wohl nicht bloss zufällig, dass wir den Orden Generationen hindurch mit Consequenz und Energie eine Politik verfolgen sehen, die darauf ausging, seine Güter und deren Einsassen den staatlichen Verpflichtungen zu entziehen, die staatlichen Rechte in seine Hand zu bringen und diese eximirte Stellung durch weitreichende Schutzverhältnisse auf einen möglichst grossen Kreis ihm eigentlich nicht angehöriger Personen zu erstrecken.

In grösserem Massstabe und mit grösserem Erfolge als sonst irgendwo hat der Orden dieses Verfahren gerade in Frankreich durchgeführt; schärfer als sonst irgendwo hat sich in Folge dessen dort auch der Gegensatz zwischen dem Orden und dem Königthum, dessen Gerichten und Beamten zugespitzt. Unerträglicher als irgendwo musste dieses Verhältniss für das erstarkende Königthum in Paris selbst werden, von dem ein guter Theil sich nicht bloss thatsächlich, sondern von Rechts wegen in der Gewalt des Ordens befand. Gewiss war damit noch kein Ordensstaat geschaffen, wohl aber ein Zustand, der mit einem geordneten, sich centralistisch ausbildenden monarchischen Staat unvereinbar war. Gmelin sucht das (S. 230 ff.) zu entkräften durch den Nachweis, dass die Templer, längst nicht mehr stark genug, ihren ursprünglichen Beruf im Kampfe gegen den Islam zu erfüllen, schon numerisch viel zu schwach gewesen seien, um dem Französischen Staate unter Philipp dem Schönen gefährlich zu werden. Die Zahl der Tempelritter abzuschätzen,

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_258.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)