Seite:De DZfG 1894 11 272.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Dass Gmelin einen Glauben Philipp’s an die ketzerische Schuld des Ordens (S. 285) für gänzlich ausgeschlossen erachtet, ist doch füglich kaum recht vereinbar mit seinem Urtheil (S. 269), der König zeige sich „dogmatisch durchaus als ein in der Bahn seines Jahrhunderts erzogener und theoretisch in keiner Weise darüber hinausstrebender Kopf“ und „dogmatisch sei seine kirchliche Correctheit ausser allem Zweifel“. Ich möchte meinen, mit einer solchen, die ganze geistige Beschränktheit seiner Zeit widerspiegelnden Denkweise des Königs über religiöse Dinge wäre der bornirte Glaube an die durch die Inquisition erwiesene häretische Verirrung des Templerordens besonders gut vereinbar, liesse sich viel ungezwungener und natürlicher daraus herleiten als die ihm von Gmelin (S. 270) zugesprochene „religiöse Bedürfnisslosigkeit“ und das mit dieser zusammenhängende „rücksichtslose Unfehlbarkeitsbewusstein“, vermöge dessen Philipp „die Formeln, die theoretischen Principien der Kirche“ mit um so grösserer Meisterschaft zur Beherrschung derselben verwandte, „je weniger er selbst davon inwendig ergriffen war“.

Für die Frage, ob man von einer Schuld des Ordens sprechen kann oder nicht, ist das freilich gleichgültig; sie wird nicht gelöst durch ein Eindringen in Philipp’s geistige und sittliche Eigenart, welche, wie sie sich in dem Vorgehen gegen die Templer darstellt, jedenfalls von dem von Gmelin dem König nachgesagten (S. 270) „weiblich-katzenartigen“ Wesen weit entfernt war.

Förderlicher für eine Verständigung in der Schuldfrage ist es, auf die Zugeständnisse einzugehen, welche die beiden neuesten und eifrigsten Verfechter der These von der völligen Unschuld des Ordens in dieser Hinsicht gemacht haben, und die zwischen ihrer Ansicht und der ihrer Gegner eigentlich keinen principiellen, sondern höchstens noch einen graduellen Unterschied übrig lassen.

Lea sagt III, S. 276: „Uebrigens ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass die im Volk umlaufende Rede, der Novize müsse bei der Reception seinem Receptor den Hintern küssen, in etwas begründet gewesen ist. Wie wir gesehen, bestand die überwiegende Mehrheit des Ordens aus dienenden Brüdern, auf welche die Ritter mit unendlicher Verachtung herabsahen. Ein gelegentlicher Befehl der Art von Seiten eines leichtfertigen Ritters, um das Princip des absoluten Gehorsams geltend zu machen, indem er einen gemeinen Mann zu angeblicher Brüderschaft und Gleichheit

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_272.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)