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und Imperatoren ertheilten dem Bischof von Rom Vorrechte, die er zu erweitern wusste. Als die Griechisch-Römische Cultur ihrem Untergange zuneigte und im Occident früher als im Orient das Mittelalter hereinbrach, war der Papst einer der ersten mittelalterlichen Menschen; auch in den höheren Schichten der Gesellschaft trat bei dem allgemeinen Verfall der Civilisation, dem Erlöschen des Geistes des Alterthums und dem Verschwinden alles historischen Sinnes Glaube und Aberglaube in sein Naturrecht ein. Diese Stimmung der Zeit hat der Papst zur Grundlage seiner Gewalt gemacht: er gründete seine Herrschaft auf das Einzige, was damals unerschütterlich und unangreifbar war, auf den vom Staate und seinem Untergang unabhängigen Glauben.

Indem der Bischof von Rom die Sorge für die gesammte Kirche[1] wahrnahm, nannte er seine Kirche das Haupt aller Kirchen[2] und sich selbst das Haupt aller Priester[3]. Um die Obergewalt zu begründen, gab er dem Gedanken der apostolischen Succession der Bischöfe, den zuerst ein Bischof von Rom gefasst hatte, die Wendung, dass er der Nachfolger des Apostels Petrus sei und dass Christus diesem Apostel die höchste Gewalt in seiner Kirche verliehen habe. Hatte auch Petrus keinen anderen Auftrag als die übrigen Apostel erhalten, den Auftrag, Christi Lehre zu verbreiten, und hatte er, wenn er in Rom war, hier nichts Anderes gethan, als was er gleich anderen Aposteln sonst gethan hatte, so wurde jetzt die Gegenwart mit der

  1. Wie nach Gregor I., Reg. V, 37, dem Petrus cura und principatus in der ganzen Kirche zusteht, so schreibt auch Hadrian von seiner Sorge für die ganze Christenheit, Codex Carolinus S. 629. 630, 20. 634. 644, 9 nach Gundlach’s Ausgabe 1892. Vgl. Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte I³, 439 ff. II³, 99 ff. Sohm, Kirchenrecht I, 378 ff.
  2. Diese seit dem Concil von Chalcedon 451 immer häufigere, auch Codex Justin. I, 1, 8, 1 vom Papst gebrauchte Fassung haben in unserer Zeit die Schreiben Hadrian’s 785 Migne 96, 1217. 1220. 1240. Codex Carolinus S. 501, 12. 504, 16. 545, 28. 549, 6. 557, 21. 569, 11. 575, 15. 629, 25. 641, 35. Paulus, Hist. Langob. IV, 36. Vita Bonifatii III. c. 1, Vita Leonis III. c. 21.
  3. Codex Justin. I, 1, 7, 2. Liutprand c. 33, Leges IV, 124. Vita Sergii c. 6. Der Bischof von Grado an den Papst um 770, Mon. Germ., Epist. III, 712, 25. Caput nostrum nennt den Papst auch Avitus ep. 39 S. 68 Peiper.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 302. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_302.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2023)