Seite:De DZfG 1894 11 338.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

und Hadrian 774 vor dem Grabe des Apostelfürsten aufs neue gelobt[1].

Was die Contrahenten gemäss ihrer völkerrechtlichen Vereinbarung zu thun oder zu lassen hatten, haben sie nicht versucht, im Einzelnen zu verabreden. Ihr Vertragswille machte eine derartige Feststellung unmöglich[2]. Denn dieser Wille war darauf gerichtet, dass sie in Frieden leben, sich gegenseitig unterstüzen, mit Rath und That in allen Dingen einander helfen sollten; ein jeder hatte das dem Wohle des Anderen Dienliche zu thun und das ihm Schädliche zu meiden. Ihre Interessengemeinschaft sollte von der Art sein, dass ein jeder der Freund des Freundes und der Feind des Feindes wäre[3]; wer mit Gegnern des Bundesgenossen eine Gemeinschaft hielt, die dem Gefährten zum Nachtheil gereichte[4], wer Rathschläge gegen ihn machte

    wie sie der Papst dem Könige und der König dem Papste schuldet. Denselben Sinn hat der beiderseitige Gehorsam; er bedeutet nicht Gehorsam eines Unterworfenen gegen einen Herrn, sondern, soweit dem Wort überhaupt rechtliche Bedeutung zukommt, Erfüllung der Bundespflicht, vgl. Codex Carolinus S. 549, 17. 554, 10. 555, 36. 562, 23. Ich halte es daher nicht für wichtig, ob Grauert, Historisches Jahrbuch IV, 550 f. V, 119 mit Recht die obedientia im Briefe Leo’s III. a. a. O. auf die Uebernahme des Kirchenamtes bezogen hat. Waitz IV, 704 und Weiland a. a. O. XXII, 190 haben sich für diese Interpretation ausgesprochen, während Dopffel, Kaiserthum und Papstwechsel unter den Karolingern 1889 S. 23 sie nur für wahrscheinlich hält.

  1. Dass Vita Hadriani c. 39 wenigstens in erster Linie auf die Bundesgenossenschaft geht, thun m. E. die späteren Erinnerungen an jene Handlung dar, siehe Codex Carolinus S. 570, 10. 571. 574, 14. 577, 5. 580, 19. 581, 40. 590, 3. Auf das Bündniss deuten den von der Vita Hadriani c. 39 berichteten Vorgang z. B. Gregorovius, Rom III, 344. Waitz III, 180. Martens a. a. O. S. 137. 139. 207. Ranke, Weltgeschichte V, 2, 121. Heimbucher, Die Papstwahlen 1889 S. 60. Zum Theil anderer Ansicht Abel, Forschungen zur Deutschen Geschichte I, 458. Simson, Karl I, 160. Hauck a. a. O. II, 83. – Erneuerung völkerrechtlicher Verträge unter neuen Herrschern war üblich, s. z. B. Baronius, Annal. 824 Nr. 25.
  2. Anderer Ansicht Hald, Donatio Caroli Magni 1836 S. 84 ff., der den Inhalt der Bundespflicht auf bestimmte einzelne Obliegenheiten zurückführt.
  3. Codex Carolinus S. 508, 17. 534. 535, 30. 549, 29. 562, 4. 583, 5. 589. 595, 4. 606.
  4. Die bereits S. 336 erwähnte Ehe hat Stephan III. auch von der Bundesgenossenschaft aus angegriffen, Codex Carolinus S. 562. 563. Karl hat, als er trotzdem sich 770 so vermählte, schwerlich gemeint, seine Bundestreue zu verletzen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_338.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2023)