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Die patriciale Gewalt war bestimmt, eine Ergänzung der päpstlichen Landesgewalt zu sein. Sie trat zunächst in dem Fall in Wirkung, dass der Papst einen Römer nicht richten konnte oder sich nicht getraute, ein Urtheil gegen ihn zur Vollziehung zu bringen. Wenn er persönlich oder in seiner Landesherrschaft gefährdet oder verletzt war, so hatte ihm der König schon auf Grund des Schutzvertrages Beistand zu leisten, hier bedurfte er des Patricius nicht; gegen andere Widersetzlichkeit aber durfte er das Einschreiten des Patricius verlangen.

Auch ohne eine Aufforderung des Papstes war der Patricius befugt, für die Römer zu handeln. Es sollte freilich nicht in ihrer Wahl stehen, ob sie den Papst oder den Patricius in Anspruch nehmen wollten; ihr Gesuch setzte voraus, dass sie die Landesbehörden vergeblich angegangen hatten oder von ihnen aus Nachlässigkeit oder aus Parteilichkeit hilflos gelassen waren. Nur wo ihnen die päpstliche Regierung ihr Recht versagte, stand ihnen die zweite Herrschaft des Patricius zu Gebote. Das war der Standpunkt, den Hadrian principiell gegen Karl vertreten und Karl nicht principiell bestritten hat[1]. Indem so der Papst die Entscheidung für sich allein forderte, so lange er und seine Beamten bereit und fähig waren, ihrer Pflicht zu genügen, verlangte er, da über die Formen, in denen diese Sachen zu behandeln waren, keine Vorschriften bestanden, bald mehr, als der Patricius ihm einräumte. Er begehrte, keiner seiner Römer dürfe sich ohne seine schriftliche Erlaubniss an den anderen Herrscher wenden[2]. Der Patricius hätte, wenn er das zugestand, keine unmittelbare Gewalt mehr besessen; er nahm auch nach wie vor Beschwerden der Gekränkten ohne einen Brief des Papstes an und schritt sogar von Amts wegen auf Anzeige Unbetheiligter ein[3]. Ob er die Angelegenheit persönlich oder

  1. Hadrian stellte den Grundsatz auf, dass sich Niemand seiner Herrschaft willkürlich entziehen dürfe, Cod. Carol. S. 573. In einem Falle ging er weiter: Auszuliefernde sollten von den sie geleitenden Beamten Karl’s selber gerichtet werden, das. S. 606 f. 635, 3.
  2. Ebd. S. 635, 29.
  3. Ebd. S. 624, 22. Eine Theilnahme an der Besetzung des Erzbisthums Ravenna hat Karl wohl auf ungenaue Kenntniss oder irrige Auslegung eines früheren Vorgangs gegründet; der Papst wies ebd. S. 621 f. seinen Anspruch als unberechtigt zurück. Weshalb urkundete Leo III. im J. 798 über ein Angelsächsisches Kloster per licenciam Karl’s? Die Urkunde bei Birch, Cartularium Saxonicum I, 284 S. 393.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_347.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2023)