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durch Bevollmächtigte besorgte oder ob er eine Vermittlung bei der Landesherrschaft vorzog, entschied er nach seinem Ermessen.

Auch Päpste erlagen der Versuchung der Herrscher, ihre Macht zu eigenem Vortheil auszubeuten. Sie bereicherten sich widerrechtlich mit fremdem Gut. Sie waren nicht strafbar, aber besassen auch nicht das Recht, Unrecht zu thun. Der Patricius hatte die Berechtigung und die Verpflichtung, das Recht wider das Unrecht zu schützen, wer auch der Missethäter sein mochte[1]. So war das Volk des Papstes nicht auf Rache und Empörung angewiesen, weil der Patricius in der Noth sein Helfer war.

Karl hat einst Hadrian geschrieben, er möge nicht dulden, dass Römer Sklaven an die Heiden verhandelten; Hadrian erwiderte, mit seinem Wissen und Willen sei das nie geschehen; was er zur Abstellung hätte thun können, habe er gethan[2]. Karl, der in seinem Reiche solchen Menschenhandel verbot, wandte sich für das päpstliche Gebiet, dem er keine Gesetze hätte geben können, mit Erfolg an den Landesherrn. Aber durfte er ihm befehlen und im Falle des Ungehorsams Rechtszwang üben? Eine Bejahung der Frage ist schwerlich zu begründen. Karl forderte von demselben Papste die Vertreibung der Venetianischen Kaufleute aus Ravenna und der Pentapolis, indem er ihm gebot, entweder so zu befehlen oder seinen unmittelbar wirksamen Befehl auszuführen[3]. Erfüllte der Papst das Begehren aus Politik oder aus Pflicht? Venedig war Byzanz unterthänig, mit dem Karl damals in Feindschaft lebte. Deshalb würde, wenn die Massregel die Sicherung des päpstlichen Landes bezweckte, Karl als Vertheidiger desselben zu jener Forderung berechtigt gewesen sein, und auch als Verbündeter hätte er ein solches Verlangen stellen können, weil sein eigenes Gebiet nicht gesichert werden konnte, wenn im Nachbarlande des Verbündeten Feinde thätig waren, oder weil jene Ausweisung als Mittel zur Bekämpfung der kaiserlichen Regierung diente[4].

  1. Vgl. Codex Carolinus S. 620, 27.
  2. Codex Carolinus S. 585, vgl. Vita Zachariae c. 22 und die späteren Gesetze, Capitularia I, 51, 19. 190, 7.
  3. Codex Carolinus S. 622, 25. Der „Befehl“ kann Briefstil sein, so „befiehlt“ auch der Papst dem Karolingischen Grafen von Lucca ohne jedes Recht, das. S. 585, 16. Brunengo a. a. O. VI, 2 S. 26 ff.
  4. Vgl. Fanta, Oesterr. Mittheil., Ergänzungsband I, 72. Lentz, Das Verhältniss Venedigs zu Byzanz 1891 S. 23 f. 45.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_348.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2023)