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geworden. Seine Gedanken über das Römische Reich und über die Kirche waren die seiner Gelehrten, seiner Theologen und seiner Bischöfe. Auch er hielt den Römerstaat für ein durch Gottes Willen bestehendes und für die Zwecke seiner Kirche unerlässliches Staatswesen; auch er glaubte an dieses Reich als einen Theil der göttlichen Weltordnung, das, während alle anderen Religionen und Staaten vergänglich wären, das Menschengeschlecht dereinst im Christenthum vereinigen werde[1]. Er, welcher in Literatur und Kunst eine Nachblüthe des Romanismus mit einer Renaissance verwechselte, eignete sich als ein Stück seines Romanismus auch das Imperium der Römer zu.

Als der König auf der Höhe seines Lebens stand, war das Römische Reich dem Bilderdienste günstig gesinnt. Da trat er dem Orient als Führer des Occidents entgegen, gewillt, die Kirche Gottes vor Unheil zu bewahren. Kaum hatte eine von der kaiserlichen Regierung nach Nicäa berufene Synode, an der sich ausser Abgesandten des Papstes wohl nur Morgenländer[2] betheiligten, die Verehrung der Bilder geboten, so liess er, obgleich der Papst die Beschlüsse des Concils gebilligt hatte, wider Byzanz verkünden, das Reich der Römer sei dem Christenthum feind geworden[3], ein Anderer sei jetzt berufen, die wahre Lehre zu beschützen, die heilige Kirche durch die stürmischen Fluthen der Welt zu lenken[4], und dieser Andere sei er selbst. Während der Orient die Bilder verehrte, behaupteten Occidentalen, Christus sei als Mensch von Gott adoptirt, so dass die Menschen die Brüder des Menschen Jesus seien. Gegen beide Dogmen schritt Karl mit allen Mitteln ein. Den Papst forderte er auf, eine Aenderung der Nicänischen Satzung zu bewirken[5]; von den Angelsachsen, denen er die Acten des Concils überschickte, erreichte

  1. Von dieser seiner Geschichtsphilosophie, von der sich damals nur Wenige zu befreien vermochten (Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen I6, 102. 218 f.), legen die Libri Carolini II, 19, Migne 98, 1082, ein Zeugniss ab, indem sie sich zu dem von Daniel gesehenen vierten Thier bekennen; diese historische Betrachtung hatte Hieronymus zur allgemeinen Geltung gebracht, siehe Trieber, Hermes XXVII, 321–342.
  2. Nach Hefele, Conciliengeschichte III, 459.
  3. 790, Libri Carolini II, 19, Migne 98, 1082 f.
  4. Ebd. praefat. Sp. 1002.
  5. Erwähnt 825, Mansi XIV, 422.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br. und Leipzig: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1896, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_002.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2023)