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das ihn über zwei Jahre in der Oesterreichischen Hauptstadt fesselte.

Seine politischen Ansichten und Absichten liegen hauptsächlich in den Depeschen vor, die er nach Berlin richtete. Sie fanden die entgegengesetzteste Beurtheilung. Häusser, der sie als Erster benützte, sagt:[1] „Seine Thätigkeit in diesem neuen Kreise hat bis zu den grossen Ereignissen des Jahres 1813 fortgedauert und bildet die bemerkenswertheste Episode in der Geschichte der Preussischen Diplomatie jener Tage. Denn nicht nur Preussen ist niemals besser in Wien vertreten gewesen, sondern auch die grosse Deutsche Sache hat damals keinen bedeutenderen diplomatischen Repräsentanten gezählt als Wilhelm von Humboldt. Er hat in den drei Jahren, die er auf dieser Mission zubrachte, stets mit sicherem Takte den Weg eingehalten, der die Aussicht auf ein gemeinsames Handeln gegen Napoleon gab“. Treitschke[2] dagegen beginnt eine Charakteristik mit den Worten: „Zu den vielen Märchen jener Epoche, welche heute vor einer schärferen historischen Kritik nicht mehr Stand halten, zählt auch die Ueberlieferung von Wilhelm von Humboldt’s glänzenden diplomatischen Leistungen“. Er sucht dann Humboldt’s Mängel auf diesem Gebiet aus dem innersten Kern seines Wesens zu erklären, nennt ihn „zu gross für einen Diplomaten“, seine Denkschriften „allesamt zu breit und zu scharfsinnig“ und schliesst: „Humboldt’s einst vielgepriesene Berichte aus jenen Jahren erweisen sich heute, seit wir Ompteda’s Briefwechsel[3] kennen, als durchaus unzulänglich“. Aehnlich, wenn auch weniger scharf, spricht er sich ein zweites mal[4] aus und setzt hinzu: „Mit peinlicher Gewissenhaftigkeit, wie er Alles betrieb, hat er auch seine diplomatischen Pflichten erfüllt; doch jene leidenschaftliche Freude am Erfolg, die zu allem grossen menschlichen Schaffen gehört, kannte er in diesem Berufe nicht“, und preist ihn dann in seiner Thätigkeit als Cultusminister.

  1. Deutsche Geschichte III³, 480.
  2. Preussische Jahrbücher 36, 710.
  3. Es kann sich nur um die im 2. Bande von Ompteda’s Nachlass (Jena 1869) abgedruckten Briefe des Hannoveraners Graf Hardenberg handeln; wir weisen im folgenden zum Vergleich seiner mit Humboldt’s Ansichten jedesmal gegebenen Ortes darauf hin.
  4. Deutsche Geschichte I, 337.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_082.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)