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man lebe von Tag zu Tag[1], obgleich man sich gestehe, dass der Zustand der Dinge wohl eines Tages wechseln könne, und er sehe gegenwärtig nicht das geringste Anzeichen, dass man hier daran denke, ein System der Gerechtigkeit und des Gleichgewichts in Europa herzustellen. Hinsichtlich der Beziehungen zu Russland sei die Frage zu beantworten, ob man hier mehr beschäftigt sei mit den Mitteln, den Uebergriffen Frankreichs oder den Fortschritten Russlands in der Türkei Grenzen zu ziehen. Er sehe durchaus nicht, dass man daran arbeite, das erste Ziel zu erreichen, ja die Oesterreichischen Agenten hindern den Friedensschluss in Constantinopel[2]. Man betrachtet sogar mit ausserordentlichem Wohlgefallen alles, was in diesem Betracht geschehe, und Metternich habe seinen Pariser Aufenthalt dazu benutzt, um sich der Dispositionen Frankreichs darüber zu sichern… Andererseits sei auch das Misstrauen Russlands gegen Oesterreich sehr gross; es zu beseitigen wäre schön, aber äusserst schwierig; bei Preussens gegenwärtiger Lage halte er die grösste Vorsicht für seine erste Pflicht. Er beschränke sich auf Beobachtung und auf den Versuch, das Misstrauen, wo er könne, unmerkbar zu mildern. Zu einer Aenderung würde Russland den ersten Schritt thun und besonders die intime Ueberzeugung geben müssen, dass es mit Festigkeit bei dem ergriffenen System bleiben würde[3]. Metternich stehe jetzt fest

  1. Bericht vom 22. December 1810: Er theilt mit, dass Frankreich für die Bezahlung der letzten fünf Millionen Gulden Contribution ein Jahr Aufschub bewilligt habe, und auch den Zeitpunkt der Rückkehr der Oesterreichischen Officiere, die in Französisch gewordenen Ländern geboren sind, bis zum 1. Juli 1811 verlängert habe. Frankreich, meint er, wird wohl eine lästige Bedingung beigefügt haben; in jedem Falle reizt dieses Entgegenkommen die beiden Höfe noch mehr und trägt unglücklicherweise bei, Oesterreich gänzlich einzuschläfern über die täglichen Eingriffe der Französischen Regierung.
  2. Vgl. Werther’s Berichte aus Konstantinopel, die durch Humboldt’s Hände gingen, bei Duncker 338 f.
  3. Vgl. Ompteda a. a. O. S. 49; Humboldt’s Bericht vom 7. November. Er erwähnt die Schwierigkeiten in der Moldau und Walachei, und finanzielle Verhandlungen zwischen Oesterreich und Russland. „Aber das würde sich alles leichter ordnen lassen, wenn Russland erst überzeugt ist, dass Metternich die Unabhängigkeit seines Hofes fest aufrecht erhält, und wenn man hier überzeugt ist, dass der Hof von Petersburg nicht mehr absolut den Ansichten Frankreichs folgt. Davon hängt alles ab.“
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_088.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)