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den Vorgängen im letzten Kriege[1]; dazu käme das Bewusstsein von Oesterreichs innerer Schwäche und die Furcht, bei Frankreich Verdacht zu erwecken. Humboldt findet übrigens die Russischen Vorbereitungen sehr weise; aber, fragt er, wenn man schon gegenwärtig in Frankreich sich darüber beklagt, wird nicht Napoleon ebenfalls Demonstrationen machen und wird das nicht den Bruch beschleunigen? Solange der Krieg mit den Türken dauert, der 150 000 Mann in Athem hält, würde man doch nichts Ernstes thun können, und vielleicht wäre es besser, bis dahin das Misstrauen zu verbergen. Eine Zeitlang schien es ihm[2], als ob im Geheimen eine Annäherung zwischen Russland und Oesterreich vor sich gehe, und er wiederholt immer, dass, wenn der Petersburger Hof geschickte Schritte thue, um Oesterreich zu gewinnen und von der Aufrichtigkeit seiner Gesinnung zu überzeugen, so würden sie in Wien wohl aufgenommen werden. Der Kaiser sei durchaus nicht für Frankreich, die meisten Personen seiner Umgebung seien antifranzösisch, und wenn es darauf ankäme, sei der Kaiser entschlossen. Metternich allerdings sei schwer zu durchschauen, seine Haltung werde immer ausserordentlich klug und vorsichtig sein, aber gerade seine Vorsicht werde ihn zwingen, sich von zwei Seiten zu schützen, und er sei seiner Art, die Geschäfte zu leiten, so sicher, dass er glauben werde, immer Herr derselben zu sein. Er verhehle auch keineswegs die Gefahren, die von Frankreich drohen, aber seine Abneigung gegen Russland sei durch dieses selbst hervorgerufen und werde schwinden, wenn es Beweise eines festen und aufrichtigen Wechsels geben werde. Wenn man indess den rapiden Gang der Entscheidungen Frankreichs und die Schwierigkeit, die Langsamkeit und die Furcht, durch welche jede intime Annäherung zwischen beiden Kaiserhöfen gehemmt werde, betrachte, so sei es zum verzweifeln, dass man darin keine Rettung gegen Frankreichs Uebergriffe finden könne, zumal beide Kaiserhöfe sich

  1. Bericht vom 5. December 1810. Dass der Widerstand gegen die Tilsiter Politik des Kaisers Alexander zu einem massgebenden Element der Oesterreichischen Politik geworden sei, wie Oncken II, 57 erst aus den Hardenbergischen Berichten an Münster entdeckt, ergibt sich aus diesen und anderen Berichten Humboldt’s, ja schon früher aus denen Finkenstein’s bei Häusser 3³, 475.
  2. Bericht vom 26. December 1810.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_091.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)