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es ist die allein richtige Anschauung, die durch die Ereignisse bestätigt wurde.

Die Erwägungen, die Humboldt’s vorstehende Ausführungen veranlassten, beschäftigten in dieser Zeit auch das Berliner Cabinet. Angesichts seiner gegenwärtigen Schwäche, verlassen von seinem alten Alliirten und ohne Rückhalt an Oesterreich, so schrieb man ihm[1], bleibe nichts übrig, als sich mit Napoleon auszusöhnen und sich eng an Frankreich anzuschliessen. Humboldt war auf’s tiefste erregt von dieser Wendung. „Wie gross auch immer das Unglück Preussens sein möge“, antwortete er[2], „es blieb ihm immer noch ein starker und wahrhafter Trost in dem Bewusstsein, seine Unabhängigkeit erhalten zu haben, nicht verpflichtet zu sein, Freund und Feind mit Frankreich gemeinsam zu haben und nicht mitwirken zu müssen zur Ausführung von Plänen, die den Gefühlen des Königs ebenso sehr widersprechen, wie den Interessen des Preussischen Staats. Noch ist aber die Lage nicht so dringend, um diese Vortheile zu opfern. Napoleon ist in Spanien wahrscheinlich noch lange beschäftigt, Oesterreich noch nicht mit ihm alliirt, ja es scheint gewiss, dass das Wiener Cabinet, ungeachtet seiner vorsichtigen und selbst furchtsamen Haltung daran denkt, mit der Zeit eine andere Haltung einzunehmen. Da Preussen nicht einmal nach dem Tilsiter Frieden sich eng mit Frankreich verbunden hat, so ist es jetzt auch nicht in der Lage, es thun zu müssen, solange Oesterreich ihm das Beispiel nicht gegeben hat und die Unabhängigkeit beider Kaiserreiche ihm noch die Möglichkeit einer anderen politischen Existenz zeigt. Bis dahin genügt es, streng seine Verpflichtungen zu erfüllen und, sei es allein, sei es mit Oesterreich zusammen, nach Paris lebhafte und offene Vorstellungen zu richten, dass die Loyalität der Haltung der Preussischen Regierung sie autorisire, ein unbegrenztes Vertrauen in diejenige der Französischen Regierung gegen sie zu setzen.“ Er erhielt denn auch bald zu seiner Beruhigung die Mittheilung, man denke in Berlin nicht an Verhandlungen, ehe es als das geringere Uebel erscheine, dem Napoleonischen System zu folgen, als den entgegengesetzten Weg zu gehen. Immerhin ist diese folgenlose Episode wichtig zur Erkenntniss

  1. An Humboldt 12. Januar 1811. Vgl. dazu Häusser 3³, 483.
  2. Bericht vom 23. Januar 1811.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_095.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)