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Interesse dictirt, da wohl seine Pläne gegen Russland noch nicht so weit gelangt seien, um diesen Staat durch ein förmliches Bündniss zu schrecken[1] Die Besetzung Belgrads und die Ueberschreitung der Oesterreichischen Grenze durch Russische Truppen, um Lebensmittel und Munition zu kaufen, sei sehr unpolitisch, und wenn auch für beides Formeln und Entschuldigungsgründe angeführt werden dürften, so zeige es doch keine Annäherung der beiden Höfe. Immer wieder betont er, dass der Kaiser und die Regierung den ernsten Willen hätten, neutral zu bleiben. Aber schon wirft er die Fragen auf[2]: „Werden sie es können? Wenn sie den Verführungen widerstanden haben, werden sie den Drohungen widerstehen? Werden sie vorbereitet sein, den Forderungen, die an sie herantreten, einen festen und energischen Willen entgegenzustellen?“ Wenn man den langsamen, unentschlossenen und ungewissen Schritt der inneren Verwaltung sähe, wie die Rekrutirung des Heeres, die am Anfange des Jahres beschlossen wurde, noch auf demselben Punkt stünde wie damals, worüber Radetzky Metternich die lebhaftesten Vorstellungen mache, müsse man Zweifel und Unruhe empfinden[3]. Noch mehrmals kommt Humboldt auf die oben erwähnte Anfrage Stackelberg’s über Oesterreichs Stellungnahme zurück[4]. Dass Russland und Frankreich, meint er, jedes Oesterreich an sich zu fesseln suchen, kann nicht Wunder nehmen, und Metternich vermeide es, irgend eine Stellung zu nehmen. Beide Cabinete aber wüssten wohl, dass der Wiener Hof niemals ohne Widerstand in die Pläne des einen, ohne Furcht in die des anderen eintreten würde. Napoleon fühle, dass bei den hiesigen Dispositionen es besser sein würde, zu überraschen, als die Dinge vorzubereiten. Sehr wunderlich[5] erscheint ihm allerdings, dass Russland schon jetzt die formelle Frage an Oesterreich gerichtet habe, da man in Petersburg doch kaum den Bruch so nahe glaube. Merkwürdig aber berührt es ihn, dass Metternich in seinen Unterhaltungen

  1. Bericht vom 16. Februar 1811.
  2. Bericht vom 2. März 1811.
  3. Was Humboldt hier schon Anfang Marz nach Berlin schreibt, entwickelt Graf Hardenberg im Juni in fast denselben Wendungen (Ompteda 2, 49); auch er ist überzeugt, der Wiener Hof wolle stricte Neutralität erhalten, wozu ihn der Zustand seiner Finanzen zwinge, und auch er setzt zweifelnd hinzu: Glücklich, wenn er sie wird erhalten können.
  4. Bericht vom 6. März 1811.
  5. Bericht vom 13. März 1811.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_097.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)