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sich in einer zweckmässigen Lage zu befinden. Sobald die Heirath Napoleons die ersten Befürchtungen beruhigt hatte, hätte man daran arbeiten müssen, entweder sich mit Russland zu vereinigen, dass man ein gewisses Gleichgewicht in Europa herstellen konnte, oder wenigstens verhindern müssen, dass das Uebergewicht Frankreichs nicht noch grösser werde, oder man hätte sich diesem gegenüber auf einen Fuss setzen müssen, dass man wenigstens in irgend einer Art noch die Interessen Europas mit ihm discutiren könnte. Eine Annäherung an Russland sei durch die eigene Haltung Russlands verhindert worden, auch durch die persönliche Disposition Metternich’s gegen Rumjancev[1]. Andererseits beweise alles, dass das Wiener Cabinet keine irgendwie entschiedene Sprache gegen Frankreich zu führen wage, höchstens würde es noch auf sich nehmen, fest zurückzuweisen, was es bewilligen zu können nicht glaube. Er führt die Reunionen und andere Beweise dafür an. Die Hauptfrage sei, ob Napoleon die bequeme Lage, die die hiesige Situation ihm gäbe, Oesterreich auf seine Seite gegen Russland zu ziehen, benützen werde, und ob er wollen werde, dass Oesterreich einen Hauptantheil nähme, oder ob er sich begnügen werde, es mit dem Petersburger Hof zu überwerfen und von sich abhängiger zu machen. Er glaubt, und mit Recht, das letztere. Eine starke Theilnahme am Kriege würde hier beträchtliche Rüstungen nöthig machen, und Napoleon kenne gewiss ganz gut den antifranzösischen Geist des Landes[2], um nicht zu fühlen, dass eine solche Rüstung sich leicht gegen ihn selbst wenden könne. Der Französische Gesandte beklage sich oft über die Oesterreicher und besonders über die Wiener, er sei selbst nicht mit Metternich zufrieden, und die geringste Bewegung mache ihm Unruhe. Auch habe Napoleon niemals zugelassen, dass eine grosse Macht mit viel Energie im

  1. Ganz ähnlich spricht er sich im Bericht vom 1. Mai 1811 aus.
  2. Vgl. Bericht vom 23. März: Die Ansicht, dass Napoleon an Oesterreich keine Allianz finden würde, erscheint ihm nicht unwahrscheinlich, denn einerseits würden Allianzpläne hier so grosse Unruhe hervorrufen, dass sie nicht verborgen bleiben könnte, andererseits kennt Napoleon zu gut die Richtung der Geister, um zu fühlen, dass er sich schlimmen Wechselfällen aussetzen würde, wenn er Oesterreich zu beträchtlichen Bewaffnungen verpflichtet und dadurch Gelegenheit gibt, dass der Geist der Armee sich offenbare, und dass sie das Bewusstsein der ihr noch gebliebenen Starke wiedergewinne.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 103. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_103.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)