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Humboldt nichts. An den Sorgen, die in dieser gefahrvollen Zeit die Preussischen Staatsmänner auf’s höchste erregten, konnte er nicht theilnehmen; von den grossen Plänen, die im Sommer eine Massenerhebung des Preussischen Volkes bezweckten, ahnte er nichts – er konnte nichts weiter thun und rathen als immer wiederholen: die Wiener Politik bleibt dieselbe, man will nur Ruhe haben, zumal seit Einberufung des Ungarischen Reichstages die inneren Sorgen gewachsen waren. Wohl sprach ihm Metternich von Preussens Rüstungen, warnte, sie zu übertreiben, da sonst Napoleon’s Verdacht geweckt, Russlands Hoffnungen gestärkt und der Bruch beschleunigt würde, wozu Humboldt nur bemerken konnte, die Gerüchte seien übertrieben, und die Loyalität seines Cabinets versicherte[1] In jenen Tagen, da Gneisenau seine kühnen Pläne entwarf, da Scharnhorst nach Petersburg eilte und so geringen Trost heimbrachte[2], da Hardenberg seine Denkschrift vom 2. November verfasste, die als den einzigen Ausweg den Widerstand gegen Napoleon bezeichnete – füllte Humboldt seine Berichte mit ausführlichen Schilderungen der Ungarischen Reichstagsverhandlungen[3], in Ermangelung eines andern Stoffes.

Inzwischen war der Baron Jacobi-Klöst in Wien erschienen und hatte wichtige Unterredungen mit Metternich gehabt. Wie immer sprach sich dieser höchst tadelnd über Russland aus[4], prahlte mit Oesterreichs angeblicher Reorganisation und ging wirklich so weit, zuzugestehen, dass, wenn der Krieg ausbräche und Preussen gezwungen wäre, sich zu vertheidigen, Oesterreich dann nicht mit gekreuzten Armen zusehen könne, sondern ein Beobachtungscorps aufstellen würde. Im übrigen liess er bloss die gewöhnlichen Redensarten vom Einklang der Interessen beider Staaten hören und rieth, in Preussen den Enthusiasmus zu zügeln. Wenige Tage später erinnerte er sich jener Aeusserung über das Beobachtungscorps überhaupt nicht mehr[5], und so sehr Jacobi in ihn drang, er konnte, wie er sich ausdrückt[6], Metternich

  1. Berichte vom 25. September und 5. October 1811.
  2. Günstiger urtheilt Lehmann a. a. O. II, 415 über die Mission.
  3. Die, wie aus einem Schreiben Ompteda’s (2, 160) hervorgeht, in Berlin nicht ohne Eindruck blieben.
  4. Jacobi an Hardenberg 12. September. Ompteda 2, 79.
  5. Bericht vom 27. September. Ompteda 2, 96.
  6. Bericht vom 12. October a. a. O. 2, 104.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_105.jpg&oldid=- (Version vom 24.5.2023)