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und Russland das erste Ziel verfolgen, so kann man mit Gewissheit sagen, Oesterreich wirke dazu nicht mit. Ja, diese beiden Cabinete könnten sogar dadurch bewirken, dass es sich stärker gegen sie erkläre. Zu einem billigen Frieden würde der Wiener Hof alle Anstrengungen machen, würde sich freimüthig und energisch gegen Napoleon erklären und selbst handelnd eingreifen, wenn er nicht genügend gehört würde. Die Frage sei nur, ob Oesterreich mit den anderen Mächten über die Bedingungen einig sein werde, und es stünde immer zu befürchten, dass es hinter den Forderungen (en deça des demandes) zurückbleiben werde. Vereint mit Frankreich durch die Heirath der Erzherzogin und immer ein gewisses Misstrauen gegen Russland wegen der Türkei und Polens nährend, habe es unter diesen beiden Gesichtspunkten ein von den allgemeinen Interessen verschiedenes und könne dadurch nachgiebiger gegen Frankreich sein. Bei seiner vorsichtigen Politik werde der Wiener Hof einem Frieden, der leicht geschlossen werde, einen solchen vorziehen, der solidere und reellere Vortheile bieten würde. Viel werde in der gegenwärtigen Lage von der zwingenden Gewalt der Ereignisse selbst abhängen. Wenn Oesterreich sich durch seine politischen Interessen in einer besonderen Lage befände, können Preussen und Norddeutschland durch die Chancen des Kampfes noch engagirt sein, wenn das Kriegstheater, wie es zum Unglück nur zu sehr zu fürchten sei, sich ihm nähere und Schweden eine Expedition nach Deutschland unternähme.

Klarer und deutlicher sind nirgends der ganze Gang der Oesterreichischen Politik bis über den Congress von Chatillon, ja bis über den Pariser Frieden hinaus und die dafür massgebenden Motive gekennzeichnet, als in dieser letzten Depesche Humboldt’s vom Ausgang des Jahres 1812: Als erstes Ziel der Friede; nur wenn Napoleon absolut nicht hören will, Theilnahme am Kriege, dann aber doch möglichste Schonung für Frankreich aus Rivalität gegen Russland und auch aus dynastischem Interesse. Alles kam, wie Humboldt es vorausgesagt hatte, höchstens fehlt die Abneigung gegen Preussen, die später auch noch das Oesterreichische Verhalten beeinflusste. Humboldt zieht auch die Consequenzen aus seinen Betrachtungen. Er sieht ein[1], dass

  1. Bericht vom 23. December 1812.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_121.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)