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Sicherheit bestimmen liessen. Für die Wahl dieses Jahresanfangs war, wie wir sahen, die Aegyptische Zeitrechnung entscheidend gewesen; seine praktische Brauchbarkeit scheint daneben nur in zweiter Linie mitgesprochen zu haben. Wohl aber war diese der Grund, warum er in den anderen Ländern des Mittelmeeres beibehalten, im Nillande selbst verändert wurde.

Wenn der Indictionencyclus in Aegypten entstanden ist und anfangs nur für Aegypten bestimmt war, so ist die Annahme nicht abzuweisen, dass er an Institutionen, die diesem Lande schon früher eigenthümlich waren, in irgend einer Weise anknüpfte. Nun wissen wir durch die neuesten Papyrosforschungen[1], dass schon seit dem 1. Jahrhundert der Kaiserzeit alle vierzehn Jahre im Nillande eine allgemeine Volkszählung stattfand. Eine solche ist von einem Census, namentlich wie ihn Diocletian gestaltet hatte, ganz verschieden. Denn während dieser sich auf die Abschätzung der steuerbaren Vermögensobjecte, in Aegypten ausschliesslich des ländlichen Grundbesitzes, beschränkte, bezog sich jene auf den Personalbestand der Bevölkerung. Trotzdem waren beide Acte so nahe verwandt und erforderten eine so ähnliche Thätigkeit der Verwaltungsorgane, dass es sich aus technischen Rücksichten empfahl, sie zusammenzufassen. Doch eine vierzehnjährige Periode mochte zwar für die Volkszählungen, die praktisch von ziemlich geringer Bedeutung waren, angemessen erscheinen; für den Census dagegen war sie entschieden zu lang, weil sich in ihrem Verlauf die Vermögensverhältnisse zu sehr ändern mussten, als dass während ihrer ganzen Dauer eine einmalige Abschätzung als Grundlage der Steuererhebung hätte dienen können. Dies sind, wie ich vermuthe, die Gründe gewesen, warum man die Schatzungsperiode nach dem Muster der republikanischen Zeit zu einer fünfjährigen machte und zugleich (das wäre eine weitere Vermuthung) den Zwischenraum der Volkszählungen um ein Jahr verlängerte, damit sie mit jedem dritten Census zusammenfallen könnten.

Die Hypothese, dass der fünfzehnjährige Cyclus auf diese Weise entstanden sei, begegnet allerdings einer grossen Schwierigkeit; jene Volkszählungen sind nämlich nur bis zum Jahre 229/30 nachweisbar. Daraus folgt freilich noch nicht, dass sie später aufgehört

  1. Wilcken, Hermes XXVIII S. 240.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_293.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)