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welcher darin besteht, dass dignatio – wie es sich hin und wieder findet[1] – im activen, transitiven Sinn genommen wird. Auch ist ja die transitive Bedeutung sprachlich die nächstliegende, indem dignatio von dignari „würdigen, würdig halten“ herstammt. Auf diese Weise wird dem Text keine Gewalt angethan, während andererseits auch die Uebelstände, welche sich sonst ergeben, wegfallen und ein vernünftiger Sinn herauskommt.

Die Uebersetzung der Stelle lautet dann so: Hoher Adel oder grosse Verdienste der Väter wenden die Auszeichnung von Seiten des Gefolgsherrn auch jungen Leuten zu; den anderen Kräftigeren und schon Erprobten werden sie beigesellt, und keine Schande ist es für sie, unter den Gefolgsleuten gesehen zu werden. Auch Rangstufen hat sogar das Gefolge nach dem Urtheil des Gefolgschaftsführers.

Zur Erklärung ist es unbedingt nothwendig, zunächst auseinanderzusetzen, in welchem Zusammenhang diese Stelle mit dem sonstigen Inhalt des cap. 13 steht.

Tacitus macht im Eingang des cap. 13 die Bemerkung, dass die Germanen sowohl in ihrer öffentlichen wie privaten Thätigkeit regelmässig in Waffen erscheinen. Daran anschliessend erzählt er, dass das Recht, Waffen zu führen, den jungen Leuten erst dann von der Gemeinde feierlich gewährt wird, wenn dieselben nach deren Urtheil auch dazu fähig sind. Solche feierliche Wehrhaftmachung werde dadurch vollzogen, dass in der Volksversammlung einer der principes oder der Vater oder ein Verwandter dem jungen Mann Speer und Schild überreicht. Wie bei den Römern das Anlegen der Toga ein Ehrentag sei und zugleich den Abschluss des Knabenalters bilde, so bei den Germanen die feierliche Anlegung der Waffen, die Wehrhaftmachung. Mit diesem Augenblicke trete der Germane in das öffentliche Leben ein.

  1. Vgl. z. B. cap. 15 C. Theod. de privilegiis eorum VI, 35: Imp. Constantinus: – – – Ideoque palatini nostri – – – peculia sua praecipua retineant, quae dum in palatio constituti sunt, aut labore – – – proprio aut dignatione nostra quaesiverint. Hier ist dignatio offenbar transitiv gebraucht: durch Unsere (des Kaisers) Gnade, dadurch dass Wir die palatini, Palastbeamten auszeichneten. – Vgl. ferner Justini Hist. lib. 28, cap. 4 § 10: (Cleomenes) diu in summa dignatione regis vixit und Plinii Paneg. cap. 77.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 321. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_321.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2023)