Seite:De DZfG 1895 12 324.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Gegen diese Ansicht wird insbesondere geltend gemacht, dass dignatio in keiner Stelle bei Tacitus in activer Bedeutung vorkomme, und dass es bei anderen Schriftstellern mehr den Sinn von „Gnade, Gunst“, als von „Würdigung, Anerkennung, Beachtung“ habe[1].

Das Alles ist aber kein Hinderungsgrund, gerade in cap. 13 Germ. Tac. dignatio in activer Bedeutung aufzufassen, sofern überhaupt sonst der Sprachgebrauch das gestattet und auf solche Weise ein vernünftiger Sinn in diese äusserst schwierige Stelle gebracht wird.

Dass der Sprachgebrauch unserer Anschauung nicht entgegensteht, räumen Halm und Richter ja ohne Weiteres ein. Und selbst wenn zugegeben werden müsste, dass dignatio sonst mehr die Bedeutung von „Gnade, Gunst“ als von „Würdigung“ etc. habe – worauf näher einzugehen zwecklos ist –, so ändert dies an der Sachlage nichts. Denn z. B. die Uebersetzung „Gunst“ ist eine geschmackvollere und deutlichere als etwa „Würdigung seitens des princeps“ und steht auf gleicher Stufe mit dem hier gebrauchten Ausdruck „Auszeichnung seitens des Gefolgsherrn“.

Gibt man aber einmal erst die Möglichkeit einer derartigen Auffassung zu, so ist es schwer verständlich, warum gerade hier, trotzdem wie gesagt auf solche Weise allein die Stelle einen guten Sinn gibt, es plötzlich verboten sein soll, dignatio in activem Sinn zu verstehen. Und dass sich schwer zu lösende Bedenken ergeben, wenn man anders verfährt, ist oben nachgewiesen worden.

Mit noch viel weniger Recht führt man gegen die hier vertheidigte Ansicht in’s Feld: Wer dignatio principis mit Auszeichnung seitens eines Gefolgsherrn wiedergebe, lasse völlig ausser Acht, dass die beste Handschrift, der Codex Pontani, dignitatem habe, was um so weniger übersehen werden dürfe, da dieser Handschrift gegenüber die übrigen mit Rücksicht auf ihren Werth kaum in Betracht kommen[2].

Allerdings hat der Codex Pontani „dignitatem“, und noch eine zweite Handschrift, der Codex Vaticani 1862, weist die gleiche Schreibweise auf. Beide Handschriften aber stimmen

  1. Halm a. a. O. S. 3. – Richter a. a. O. S. 233.
  2. Halm a. a. O. S. 3.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1895, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1895_12_324.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2023)