Seite:De Darwin Insectenfressende Pflanzen 031.jpg

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Seite ist die auszerordentliche Empfindlichkeit gegen leichten Druck für die Pflanze von höchstem Nutzen. Denn wenn, wie wir gesehen haben, die zarten Füsze eines kleinen sich wehrenden Insects, noch so leicht auf die Oberfläche von zwei oder drei Drüsen drücken, so rollen sich die Tentakeln, welche diese Drüsen tragen, bald nach innen und tragen das Insect mit sich nach der Mitte zu, und verursachen, dass nach einiger Zeit alle umgebenden Tentakeln es umschlingen. Demohngeachtet sind die Bewegungen der Pflanze ihren Bedürfnissen nicht vollkommen angepaszt, denn wenn ein Stückchen trocknes Moos, Torf, oder andrer Abfall auf die Scheibe geweht wird, wie es oft vorkommt, so umschlingen es die Tentakeln unnöthiger Weise. Sie entdecken jedoch bald ihren Irrthum und entlassen solche nicht nahrhafte Gegenstände.

Es ist auch eine merkwürdige Thatsache, dasz Wassertropfen, die von einer Höhe fallen, gleichviel ob unter der Form von natürlichem oder künstlichem Regen, die Tentakeln nicht zu biegen verursachen; doch müssen die Tropfen auf die Drüsen mit beträchtlicher Kraft aufschlagen um so mehr, wenn die Absonderung durch starken Regen ganz weggewaschen ist; und dies kommt häufig vor, obgleich die Absonderung so zähe ist, dasz sie durch Schwingen der Blätter in Wasser blosz mit Mühe entfernt werden kann. Wenn die fallenden Wassertropfen klein sind, so kleben sie an der Absonderung an, deren Gewicht dadurch in viel höherem Grade vermehrt wird, wie schon vorher bemerkt, als durch die Hinzufügung kleiner Theilchen von solider Substanz; und doch verursachen die Tropfen niemals, dasz sich die Tentakeln einbiegen. Es würde augenscheinlich ein groszer Schaden für die Pflanze gewesen sein (wie im Fall von gelegentlichen Berührungen), wenn die Tentakeln durch jeden Regenschauer zum Biegen erregt würden; aber dieser Schaden ist dadurch vermieden worden, dasz die Drüsen, entweder durch die Gewohnheit fühllos gegen die Schläge und den Druck der Wassertropfen geworden sind, oder von vorn herein nur empfindlich gegen die Berührung mit soliden Körpern gemacht waren. Wir werden später sehen, dasz die Filamente auf den Blättern der Dionaea gleichfalls unempfindlich sind gegen die Einwirkung von Flüssigkeiten, aber auszerordentlich empfindlich gegen momentane Berührung von irgend einem soliden Körper.

Wenn der Stiel eines Tentakels mit einer scharfen Scheere dicht

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_031.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)