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war. Die Blätter in den zwei Gruppen wurden in kurzen Zeitintervallen, bis zu 24 Stunden, zuweilen bis zu 48 Stunden verglichen. Sie wurden in der Weise eingetaucht, dasz sie so sanft als möglich in numerirte Uhrgläser gelegt und dreiszig Minims (1,775 Cub. Cent.) der Lösung oder destillirten Wassers über sie gegossen wurden.

Einige Lösungen, z. B. die von kohlensaurem Ammoniak, entfärben die Drüsen schnell; und da alle Drüsen auf einem und dem nämlichen Blatte gleichzeitig entfärbt wurden, so müssen sie alle etwas von dem Salze innerhalb der gleichen kurzen Zeitdauer absorbirt haben. Dies zeigte sich auch durch die gleichzeitige Einbiegung der verschiedenen äuszeren Reihen von Tentakeln. Wenn wir keine solchen Beweise wie diese hätten, so hätte vermuthet werden können, dasz nur die Drüsen der äuszeren und eingebogenen Tentakeln das Salz absorbirt hätten; oder dasz nur diejenigen auf der Scheibe es absorbirt und dann einen motorischen Impuls den äuszeren Tentakeln übermittelt hätten; aber in diesem letztern Falle würden die äuszeren Tentakeln nicht eher eingebogen worden sein, als bis eine gewisse Zeit verlaufen wäre, anstatt innerhalb einer halben Stunde oder selbst innerhalb einiger weniger Minuten sich einzubiegen, wie es gewöhnlich vorkam. Alle Drüsen auf dem nämlichen Blatte sind von nahezu derselben Grösze, wie am besten zu sehen ist, wenn man einen schmalen queren Streifen herausschneidet und ihn auf den Rand legt; es sind daher auch ihre absorbirenden Oberflächen nahezu gleich. Die langköpfigen Drüsen am äuszersten Rande müssen ausgenommen werden, da sie viel länger als die andern sind; aber nur die obere Fläche ist der Absorption fähig. Auszer den Drüsen tragen beide Oberflächen der Blätter und die Stiele der Tentakeln zahlreiche minutiöse Papillen, welche kohlensaures Ammoniak, einen Aufgusz von rohem Fleisch, Metallsalze und wahrscheinlich noch viele andere Substanzen absorbiren; doch bringt die Absorption von Substanz durch diese Papillen niemals Einbiegung hervor. Wir müssen uns daran erinnern, dasz die Bewegung jedes einzelnen Tentakels davon abhängt, dasz seine Drüse gereizt wird, ausgenommen wenn ein motorischer Impuls von den Drüsen der Scheibe ihm übermittelt wird; und dann findet die Bewegung, wie eben angegeben wurde, nicht eher statt, als bis eine geringe Zeit verflossen ist. Ich habe diese Bemerkungen gemacht, weil sie uns zeigen, dasz wir, wenn ein Blatt in eine Lösung eingetaucht wird und die Tentakeln eingebogen werden, mit einer gewissen Genauigkeit beurtheilen können, wie viel von dem Salze jede Drüse absorbirt hat. Wenn z. B. ein Blatt, welches 212 Drüsen trägt, in eine abgemessene Quantität einer 1/10 Gran eines Salzes enthaltenden Lösung eingetaucht wird und alle äuszeren Tentakeln mit Ausnahme von zwölf werden eingebogen, so können wir sicher sein, dasz jede von den 200 Drüsen im Mittel höchstens 1/2000 Gran des Salzes absorbirt haben kann. Ich sage: höchstens; denn die Papillen werden eine gewisse kleine Menge absorbirt haben, ebenso vielleicht auch die Drüsen der zwölf ausgeschlossenen Tentakeln, welche nicht eingebogen wurden. Die Anwendung dieses Grundsatzes führt zu merkwürdigen Schluszfolgerungen in Bezug auf die äuszerste Kleinheit der noch Einbiegung verursachenden Dosen.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_122.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)