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waren die halbrandständigen Tentakeln stark eingebogen, und die Drüsen etwas blasz; nach 3 Stunden 30 Minuten hatten beide Blätter alle ihre Tentakeln dicht eingebogen und die Drüsen waren weisz. Daher bewirkte die schwächere Lösung, wie in so vielen andern Fällen, viel rapidere Einbiegung, als die stärkere; aber die Drüsen wurden eher weisz gemacht durch die letztere. Nach einem 24 Stunden langen Eintauchen wurden einige der Tentakeln untersucht, und das Protoplasma, noch von schöner purpurner Färbung, wurde in Ketten von kleinen kugligen Massen zusammengeballt gefunden. Diese veränderten ihre Formen mit merkwürdiger Schnelligkeit. Nach einem 48 Stunden langen Eintauchen wurden sie wieder untersucht, und ihre Bewegungen waren so deutlich, dasz sie unter einer schwachen Vergröszerung leicht gesehen werden konnten. Die Blätter wurden nun in Wasser gelegt, und nach 24 Stunden (d. h. 72 Stunden von ihrem ersten Eintauchen an) waren die kleinen Massen Protoplasma, welche von einem schmutzigen Purpur waren, noch in starker Bewegung, ihre Formen verändernd, sich vereinigend und wieder trennend.

In 8 Stunden, nachdem sie in Wasser gelogen hatten (d. h. in 56 Stunden nach ihrem Eintauchen in die Lösung), fiengen diese zwei Blätter an, sich wieder auszubreiten und waren am nächsten Morgen noch weiter ausgebreitet. Nach Verlauf eines weiteren Tages (d. h. am vierten Tage nach ihrem Eintauchen in die Lösung) waren sie bedeutend aber nicht ganz vollständig wieder ausgebreitet. Die Tentakeln wurden nun untersucht, und die zusammengeballten Massen waren beinahe gänzlich wieder aufgelöst; die Zellen waren mit homogener purpurner Flüssigkeit, mit Ausnahme einer einzigen kugligen Masse hie und da, angefüllt. Wir sehen hieraus, wie vollständig das Protoplasma aller Verletzung durch das Gift entgangen war. Da die Drüsen so bald ganz weisz wurden, kam mir der Gedanke, dasz ihre Textur in solcher Weise modificirt sein könne, dasz das Gift verhindert würde, in die Zellen darunter zu dringen, und folglich, dasz das Protoplasma in diesen Zellen gar nicht afficirt worden wäre. Dem entsprechend brachte ich ein anderes Blatt, welches 48 Stunden lang in das Gift, und nachher 24 Stunden lang in Wasser gelegt worden war, in ein wenig Lösung von einem Theil kohlensauren Ammoniak auf 218 Theile Wasser; in 30 Minuten wurde das Protoplasma in den Zellen unter den Drüsen dunkler, und im Lauf von 24 Stunden waren die Tentakeln bis hinunter zu ihren Basen mit dunkelfarbigen kugligen Massen angefüllt. Es hatten daher die Drüsen ihre Fähigkeit zum Aufsaugen nicht verloren, so weit das kohlensaure Ammoniak in Betracht kommt.

Nach diesen Thatsachen ist es offenbar, dasz das Gift der Cobra, obgleich Thieren so tödtlich, gar nicht giftig für die Drosera ist. Doch verursacht es starke und rapide Einbiegung der Tentakeln und entfernt bald alle Farbe aus den Drüsen. Es scheint selbst als ein Reizmittel auf das Protoplasma zu wirken, denn nach beträchtlicher Erfahrung im Beobachten der Bewegungen dieser Substanz bei der Drosera habe ich es bei keiner andern Gelegenheit in einem so thätigen Zustande gesehen. Ich war daher sehr gespannt, zu hören, wie dieses Gift auf thierisches Protoplasma wirke; und Dr. Fayrer war so gütig, einige Beobachtungen

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_187.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)