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Das Bewegungsvermögen, welches verschiedene Pflanzen besitzen, wenn sie gereizt werden, ist von bedeutenden Autoritäten dem rapiden Austritt von Flüssigkeit aus gewissen Zellen zugeschrieben worden, welche in Folge ihres vorausgehenden Spannungszustandes sich sofort zusammenziehen[1]. Mag dies nun die primäre Ursache solcher Bewegungen sein oder nicht, so musz allerdings Flüssigkeit aus geschlossenen Zellen austreten, wenn sie sich zusammenziehen oder wenn sie in einer Richtung zusammengedrückt werden, vorausgesetzt, dasz sie nicht in derselben Zeit sich in irgend einer anderen Richtung ausdehnen. So kann man z. B. sehen, dasz Flüssigkeit aus der Oberfläche eines jeden jungen und lebenskräftigen Schöszlings herausquillt, wenn er in einem Halbkreise gebogen wird[2]. Was Drosera betrifft, so findet sicherlich viel Bewegung von Flüssigkeit durch die ganzen Tentakeln statt, während sie Einbiegung erleiden. Es lassen sich viele Blätter finden, an denen die purpurne Flüssigkeit innerhalb der Zellen auf der obern und untern Seite der Tentakeln von einer gleichmäszig dunklen Färbung ist und sich auch auf beiden Seiten gleichmäszig bis in die Nähe der Basen hinaberstreckt. Wenn die Tentakeln eines solchen Blattes zur Bewegung gereizt werden, so wird man allgemein nach einigen Stunden finden, dasz die Zellen der concaven Seite viel blasser sind, als sie vorher waren, oder dasz sie ganz farblos sind, während die auf der convexen Seite viel dunkler geworden sind. In zwei Fällen, wo Stückchen Haar auf Drüsen gelegt worden waren und wo im Laufe von 1 Stunde 10 Minuten die Tentakeln halbwegs nach dem Centrum des Blattes hin gekrümmt worden waren, war diese Veränderung der Färbung auf den beiden Seiten ganz auffallend deutlich. In einem andern Falle wurde, nachdem ein Stückchen Fleisch auf eine Drüse gelegt worden war, beobachtet, wie die purpurne Färbung in Zeitabsätzen langsam von dem obern nach dem untern Theile, an der convexen Seite des sich biegenden Tentakels hinabwanderte. Es folgt aber aus diesen Beobachtungen nicht, dasz die Zellen auf der convexen Seite mit mehr Flüssigkeit während des Actes der Einbiegung erfüllt wurden, als sie vorher enthielten; denn während der ganzen Zeit kann Flüssigkeit in die Scheibe oder in die Drüsen eintreten, welche nun reichlich absondern.

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_231.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)

  1. Sachs, Lehrbuch der Botanik, 4. Aufl.. 1874. p. 860. Diese Ansicht sprach, glaube ich, zuerst Lamarck aus.
  2. Sachs, ebenda, p. 751.