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andern nothwendigen Elemente vorhanden sind. Es ist aber eine staunenerregende Thatsache, über welche ich mich hier nicht wieder verbreiten will, dasz eine so unbegreiflich kleine Menge wie ein Zwanzigmilliontel Gran von phosphorsaurem Ammoniak irgend eine Veränderung in einer Drüse der Drosera herbeiführen kann, welche genügt, das Hinabsenden eines motorischen Impulses die ganze Länge des Tentakels hinab zu verursachen, wobei noch dieser Impuls häufig eine Bewegung durch einen Winkel von über 180° erregt. Ich weisz nicht, ob diese Thatsache am meisten anzustaunen ist, oder jene andere, dasz die Gegenwart eines äuszerst kleinen, von dem dicken Secrete getragenen Stückchen Haars schnell eine augenfällige Bewegung verursacht. Überdies ist diese ganz extreme Empfindlichkeit, welche die des zartesten Theils des menschlichen Körpers übertrifft, ebenso wie die Fähigkeit, verschiedene Impulse von einem Theile des Blattes nach einem andern hin zu übermitteln, ohne das Dazwischentreten eines Nervensystems erlangt worden.

Da gegenwärtig nur wenig Pflanzen bekannt sind, welche speciell zur Aufsaugung angepaszte Drüsen besitzen, so schien es der Mühe werth zu sein, auszer den Ammoniaksalzen noch die Wirkungen verschiedener anderer Salze und verschiedener Säuren zu versuchen. Wie im achten Capitel beschrieben worden ist, stimmt ihre Wirkung durchaus nicht streng mit ihren chemischen Verwandtschaften überein, wie aus der gewöhnlich angenommenen Classification gefolgert wurde. Die Natur der Basis ist bei weitem einfluszreicher als die der Säure; und man weisz, dasz dies auch bei Thieren gilt. Es verursachten z. B. neun Natronsalze sämmtlich gut ausgesprochene Einbiegung und keines derselben war in kleinen Dosen giftig, während sieben von den neun entsprechenden Kalisalzen keine Wirkung hervorbrachten, zwei nur unbedeutende Einbiegung verursachten. Überdies waren kleine Dosen einiger der letzteren Salze giftig. Wenn die Salze von Natron und Kali in die Adern lebender Thiere eingespritzt werden, weichen sie gleichfalls in ihrer Wirkungsweise sehr von einander ab. Die sogenannten erdigen Salze bringen auf Drosera kaum irgend welche Wirkung hervor. Auf der andern Seite verursachen die meisten Metallsalze rapide und starke Einbiegung und sind in hohem Grade giftig; von dieser Regel gibt es aber einige merkwürdige Ausnahmen; so verursachten Blei- und Zink-Chlorid, ebenso wie zwei Barytsalze keine Einbiegung und waren auch nicht giftig.

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_247.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)