Seite:De Darwin Insectenfressende Pflanzen 313.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Zellen der Stiele wurden durch den Aufgusz nicht afficirt, ebensowenig wurden sie es in dem folgenden Versuche.

Ein anderer Blüthenstengel wurde in derselben Weise gebogen und eben so lange in eine Lösung von einem Theile salpetersauren Ammoniaks auf 146 Theile Wasser (oder ein Gran auf 1 Unze) getaucht; die Drüsen wurden in genau derselben Art und Weise entfärbt, wie durch den Aufgusz rohen Fleisches.

Ein anderer Blüthenstengel wurde ganz wie früher in eine Lösung von einem Theile kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser getaucht. Die Drüsen waren nach 1 Stunde 30 Minuten nicht entfärbt, aber nach 3 Stunden 45 Minuten waren die meisten schmutzig purpurn, einige von ihnen schwärzlich-grün geworden; einige wenige waren noch gar nicht afficirt. Es wurde beobachtet, dasz die kleinen Protoplasmamassen innerhalb der Zellen in Bewegung waren. Die Zellen der Stiele waren unverändert. Der Versuch wurde wiederholt; ein frischer Blüthenstengel wurde 23 Stunden lang in der Lösung gelassen und nun wurde ein bedeutender Effect hervorgebracht. Alle Drüsen waren bedeutend geschwärzt und die vorher durchsichtige Flüssigkeit in den Zellen der Stiele, selbst bis hinab zu ihren Basen, enthielten sphärische Massen körniger Substanz. Aus einer Vergleichung vieler verschiedener Haare gieng offenbar hervor, dasz die Drüsen zuerst das kohlensaure Ammoniak absorbiren, und dasz der hierdurch bewirkte Effect von Zelle zu Zelle die Haare hinabgeht. Die erste Veränderung, welche beobachtet werden konnte, war ein wolkiges Aussehen der Flüssigkeit in Folge der Bildung sehr feiner Körnchen, welche sich später zu gröszeren Massen zusammenballen. Im Ganzen genommen besteht in dem Dunkelwerden der Drüsen und in dem Hinabgehen des Zusammenballungsprocesses die Zellen der Stiele hinunter die gröszte Ähnlichkeit zu dem, was stattfindet, wenn ein Tentakel der Drosera in eine schwache Lösung desselben Salzes eingetaucht wird. Die Drüsen absorbiren aber viel langsamer als die der Drosera. Auszer den Drüsen-Haaren sind noch sternförmige Organe vorhanden, welche nicht abzusondern scheinen und welche durch die obigen Lösungen nicht im mindesten afficirt wurden.

Obschon das kohlensaure Ammoniak in den Versuchen mit den unverletzten Blüthenstengeln und Blättern nur durch die Drüsen aufgesaugt zu werden scheint, so tritt es doch durch eine Schnittfläche viel schneller ein als durch eine Drüse. Rindenstreifen eines Blüthenstiels wurden abgerissen, und man konnte selten, dasz die Zellen der Drüsenstiele nur farblose durchscheinende Flüssigkeit enthielten, die der Drüsen enthielten wie gewöhnlich etwas körnige Substanz. Die Streifen wurden nun in dieselbe Lösung wie vorher gethan (ein Theil kohlensauren Ammoniaks auf 109 Theile Wasser), und in wenig Minuten erschien körnige Substanz in den unteren Zellen aller Stiele. Die Wirkung begann ausnahmslos (denn ich wiederholte den Versuch mehreremale) in den untersten Zellen, und daher dicht an der abgerissenen Oberfläche, und gieng dann allmählich in den Haaren aufwärts, bis sie die Drüsen erreichte, in umgekehrter Richtung also zu der, welche in unverletzten Exemplaren stattfindet. Die Drüsen wurden dann entfärbt und die vorher in ihren Zellen vorhanden gewesene körnige Substanz wurde zu gröszeren Massen zusammengeballt.

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_313.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)