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Die Drüsen an den Blüthenstengeln und Blättern der Primula sinensis absorbiren schnell eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak, und das Protoplasma, welches sie enthalten, wird zusammengeballt. In einigen Fällen sah man, dasz der Procesz von den Drüsen aus in die oberen Zellen der Stiele hinaufgieng. Wurden die Drüsen 10 Minuten dem Dampfe dieses Salzes ausgesetzt, so bewirkte auch dies Zusammenballung. Wenn Blätter von 6 bis 7 Stunden in einer starken Lösung gelassen oder dem Dampfe ausgesetzt wurden, so wurden die kleinen Massen von Protoplasma zersetzt, wurden braun und körnig, und waren offenbar getödtet. Ein Aufgusz von rohem Fleisch brachte keine Wirkung auf die Drüsen hervor.

Der klare Inhalt der Drüsenzellen von Pelargonium zonale wurde in einer Zeit von 3 bis 5 Minuten wolkig und körnig, wenn sie in eine schwache Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetaucht wurden, und im Verlauf von 1 Stunde erschienen Körnchen in den oberen Zellen der Drüsenstiele. Da die zusammengeballten Massen langsam ihre Form veränderten und da sie Zersetzung erlitten, wenn sie beträchtliche Zeit lang in einer starken Lösung liegen gelassen wurden, so kann kaum bezweifelt werden, dasz sie aus Protoplasma bestanden. Es ist zweifelhaft, ob ein Aufgusz von rohem Fleisch irgend welche Wirkung hervorbrachte.

Die drüsigen Haare gewöhnlicher Pflanzen sind allgemein von Physiologen so angesehen worden, als fungirten sie nur als absondernde oder aussondernde Organe; wir wissen aber, dasz sie, wenigstens in einigen Fällen, das Vermögen besitzen, eine Lösung und den Dampf von Ammoniak zu absorbiren. Da Regenwasser einen unbedeutenden Procentsatz von Ammoniak und die Atmosphäre eine äuszerst geringe Menge von Kohlensäure enthält, so ist es kaum anders zu erwarten, als dasz jenes Vermögen der Pflanze vortheilhaft ist. Auch kann der Vortheil nicht völlig so unbedeutend sein, als man auf den ersten Blick glauben möchte; denn eine mäszig schöne Pflanze von Primula sinensis trägt die staunen erregende Zahl von über zwei und einer halben Million drüsiger Haare[1], welche sämmtlich im Stande

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_320.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)

  1. Mein Sohn Francis zählte die Haare auf einem mittelst des Micrometers gemessenen Raume und fand, dasz auf einem Quadratzoll der oberen Fläche eines Blattes 35336 und auf der unteren Fläche 30035 standen; d. h. also ungefähr in dem Verhältnis von 100 auf der oberen zu 85 auf der unteren Fläche. Auf einem Quadratzoll beider Flächen standen 65371 Haare. Eine mäszig schöne Pflanze, welche zwölf Blätter trug (von denen die gröszeren ein wenig mehr als 2 Zoll im Durchmesser maszen) wurde nun ausgewählt und die Oberfläche aller Blätter zusammen mit ihren Stielen (ohne Einschlusz der Blüthenstengel) mittelst eines Planimeters als 39,285 Quadratzoll grosz ermittelt, so dasz der Flächeninhalt beider Oberflächen 78,75 Quadratzoll betrug. Es musz hiernach die Pflanze (mit Ausschlusz der Blüthenstengel, die staunenerregende Zahl von 2,568,099 drüsiger Haare getragen haben. Die Haare wurden spät im Herbste gezählt; und im folgenden Frühjahre (Mai) fand sich, dasz die Blätter einiger andern Pflanzen derselben Sammlung von ein Viertel bis ein Drittel breiter und länger als früher waren, so dasz auch ohne Zweifel die drüsigen Haare an Zahl zugenommen hatten und wahrscheinlich nun weit über drei Millionen betrugen.