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nicht den Muth, dem sitzt das Herz fester, als daß es so leicht zu Falle käme.

Der Soldat sann vor Allem nach, wie er seine Freiheit wiedergewinnen könnte. Er mochte die Schildwachen nicht bestechen, denn wie leicht hätte das herauskommen können und die armen Kerle wären unglücklich gewesen; das litt sein gutes Herz nicht. Sein Weg mußte viel sicherer und kürzer sein und er fand ihn bald. Er hatte nämlich einen Zwillingsbruder, der ihm ganz ähnlich sah; den ließ er kommen, vertraute ihm die ganze Sache und versprach ihm fest und heilig, wenn sein Plan und Vorhaben nicht gelinge, vor Jahresfrist wieder im Kerker zu sein. Da wechselten sie die Kleider, der Soldat ging frei aus dem Thurme und damit war schon viel gewonnen. Als er aber nach der Königstochter frug, hieß es, sie sei auf Reisen, Niemand wisse wohin und sie komme vor Monatsfrist nicht zurück. Er beschloß ihr nachzureisen; wenn er sie auch nicht finde, so sei es doch anderswo besser und sicherer für ihn, als in der Hauptstadt, und er könne unterdessen auf Mittel denken, ihre Liebe zu gewinnen.

Also zog er aus der Hauptstadt weg und kam in eine andere große Stadt, wo er in einem vornehmen Wirthshaus einkehrte. Da dachte er Tag und Nacht nach, was er machen solle, aber was er auch herausbrachte, nichts schien ihm so recht sicher, und er dachte so viel, daß er von lauter Denken ganz mager wurde, denn er war gar nicht daran gewohnt und verstand viel besser zu kommandiren: Gewehr an! Schultert's Gewehr und wie das Alles heißt.

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_075.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)