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könne Niemand in ihr Zimmer hinein. Das that sie auch und schlief bald wieder fest wie vorher.

Als der Soldat dieß merkte, öffnete er wiederum das Thürchen, trat zu ihrem Lager und küßte sie von neuem auf ihre schöne weiße Stirn. Erschrocken fuhr sie auf und da stand der stolze schöne Mann wieder vor ihr und hatte die Hände flehend zu ihr gefalten; sie schrie noch lauter, wie das Erstemal und verbarg sich wieder unter der Decke. Ehe man eine Hand umdreht war der Soldat verschwunden. Das ganze Schloß lief zusammen, der König kam hinzu, man fragte, man suchte, aber da war keine Spur von einem fremden Manne zu finden. Nun wurde der König böse, denn er war nicht gern im Schlafe gestört; er verwies der Prinzessin mit harten Worten ihr grundloses Geschrei und drohte, ihr den Hirsch wegzunehmen, wenn sie noch einmal schreie. Da mußte sie sich wohl zufriedengeben.

Sie beschloß nun, nicht mehr einzuschlafen, denn sie wollte wissen, woher der schöne Mann komme, und stellte sich nur, als ob sie schliefe. Es dauerte nicht lange, so hörte sie ein leises Knarren an dem Goldhirsch und gleich darauf stand der Soldat vor ihr und küßte sie auf die Stirn. Sie schaute ihn groß an, aber da stürzte er zu ihren Füßen und sprach ihr so viel von seiner Liebe und wie er sein Leben um sie gewagt habe, daß die Prinzessin ihm hold wurde und versprach ihn nicht zu verrathen.

Seitdem lebte er herrlich und in Freuden in dem Zimmer der Königstochter; nur wenn manchmal der alte König kam, um den

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 79. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_079.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)