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mich zu ihnen gehn, dann kommt mein Bräutigam nach.“ Die Königin sprach: „Jetzt habe ich dich noch lieber, weil du eine so liebevolle Tochter bist. Thue also; binnen Jahr und Tag komme ich mit meinem lieben Sohne dir nach und wir feiern die Hochzeit in Lust und Freuden.“ Heimlich dachte sie aber: Bist du nur erst aus dem Wege, mit ihm will ich schon fertig werden. Rasch ließ der Prinz ein Schiff ausrüsten und binnen drei Tagen fuhr die Prinzessin ab. Die alte Königin aber hatte den Schiffscapitän bestochen, er müsse machen, daß ihn die Prinzessin heirathe, gehe es nun wie es wolle.

Als das Schiff auf hoher See war, kam der Capitän zu ihr und wollte ihre Liebe und Gunst gewinnen, aber sie wies ihn erzürnt zurück. Da sprach er: „Eins von Beiden mögt ihr euch wählen: wollt ihr mich zum Mann und dem König eurem Vater sagen, ich habe euch gerettet, oder wollt ihr ins Meer geworfen werden? Ihr habt drei Tage Bedenkzeit.“ Als sie wieder allein war, warf sie sich auf ihre Kniee nieder und bat Gott um Rettung aus dieser neuen Noth und Gefahr. Da kam ihr ein guter Gedanke und als der Capitän am dritten Tage wieder vor sie trat und frug, wozu sie nun entschlossen sei, sprach sie: „Jahr und Tag will ich Frist haben, dann mag die Hochzeit sein.“ Damit war der Capitän zufrieden. Als sie ans Land kamen führte er sie zu ihren Aeltern, erzählte ihnen, wie er sie aus einer finstern Höhle gerettet habe und begehrte ihre Hand. Der König und die Königin waren so froh, ihr Kind wieder zu haben, daß sie alsbald einwilligten, und über Jahr und Tag sollte die Hochzeit gehalten

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_153.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)