Seite:De Deutsche Hausmärchen 190.jpg

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„Mir träumte,“ sprach sie, „ein König habe einen Brunnen, woraus goldne Perlen sprängen und der sei ihm versiegt. Woher mag das wohl kommen?“ „Das weiß ich,“ knurrte der Menschenfresser, „es sitzt eine große Kröte im Brunnen vor der Quelle; wenn man die herausholt, dann springt der Brunnen noch reicher als vorher. Jetzt laß mich ruhig schlafen.“ Und er legte sich auf die Seite und schnarchte sein Stückchen weiter.

Er hatte aber noch nicht manche Note geschnarcht, da gab ihm die Frau einen Schlag hinter das Ohr, so daß er in die Höhe fuhr und schrie: „Bist du toll geworden, oder was fehlt dir?“ „Ach ich träume die Nacht so schwer,“ sprach sie. „Mir träumte, ein König habe drei Töchter gehabt, davon sei eine ihm gestohlen worden und kein Mensch wisse, wo sie geblieben sei. Das mußt du doch jedenfalls wissen.“ „Das weiß ich auch,“ antwortete er und grinzte sie freundlich an, „das bist du ja selbst und ich habe dich ihm gestohlen. Aber jetzt rathe ich dir, laß mich schlafen.“

Der schönen Frau ging durch diese Antwort ein Licht auf, ihr fiel ein, wie sie in dem Pallast ihres Vaters so schöne Zimmer gesehn und so liebe gute Schwestern gehabt hatte, wie sie von ihrer Mutter gehätschelt und getätschelt worden war und Alles, Alles sah sie wieder vor sich. Da überkam sie ein großes Heimweh und sie dachte in ihrem Herzen: Ach wenn er mich doch mitnähme und meinen lieben Aeltern ihr Glück brächte und mir das meine schenkte! Sie stand vorsichtig auf und rief leise, ganz

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_190.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)