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Als der Prinz an das Schloß kam, da erscholl ihm herrliche Musik entgegen und Alles war Freude und Lust. Leise schlich er durch das Thor und die Treppen hinan zu der Kammerthür seiner lieben Frau. Da zog er seine jetzt ganz zerrissenen Stiefel aus und stellte sie hin; an die Thüre schrieb er:

›Es ist möglich, ein Paar eiserner Stiefel zu zerreißen,

Und ist auch möglich ins himmlische Paradies zu reisen.‹

Er selber aber stellte sich nebenan in eine dunkle Ecke.

Abends als die Königstochter mit ihrem neuen Gemahl in ihre Kammer eingehn wollte, stieß sie an die eisernen Stiefel. Da erschrak sie freudig, aber noch mehr, als sie das Haupt erhob und auf der Thür las, was der Prinz geschrieben hatte. Sie erkannte daraus, daß ihr geliebter Ferdinand wieder zurückgekehrt sei, hieß ihren neuen Gemahl auf den andern Abend warten und ging allein in ihre Kammer. Wie war der Prinz so glücklich, als er sie in ihrer ganzen Schönheit wiedersah und nun wußte, daß sie ihn doch lieber habe, als ihren neuen Gemahl. Er regte sich aber nicht in seiner Ecke, bis sie in ihrem Zimmer war, dann ging er und offenbarte sich den Bedienten, befahl ihnen jedoch, keinem Menschen etwas von seiner Rückkehr zu sagen. Er wurde nun in seine prächtige Kammer geführt, wo er die Nacht blieb, er schlief aber nicht vor lauter Freude.

Am folgenden Tage wurde auf Befehl der Prinzessin ein herrliches Mahl bereitet und alle Hochzeitsgäste dazu geladen. Als nun die Speisen aufgetragen waren, erhob sich die Prinzessin und sprach: „Ich habe eine eiserne Kiste, worin ich meine

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_215.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)