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unten im Ort, heut über acht Tage sei etwas Großes droben vor. Der König wolle seine drei Töchter neben einander stellen; davon sehe eine aus wie die Andre und wer es riethe, welche die Aelteste oder die Jüngste sei, der solle sie haben und das Königreich dazu; wer aber falsch rathe der müsse den Kopf lassen. Da verwandelte er sich in ein goldiges Vöglein und flog in den Schloßgarten, wo die drei Töchter an der Tafel saßen und speisten. Er nahm sich ein Bröcklein und flog damit fort, kam wieder und that, als wenn er immer kecker würde und ließ sich endlich von der Einen mit der Hand fangen. Da liefen sie alle drei in großer Freude ins Schloß und zeigten ihrem Vater das schöne Vöglein und Jede wollte es haben. Die, die es gefangen hatte, that es aber nicht anders, es mußte in einem goldnen Bauer in ihr Schlafzimmer gehängt werden. Als es Nacht war kam das Vöglein heraus, und wie die Königstochter erwachte, stand ein Mann an ihrem Bette. Sie schrie, daß der ganze Hofstaat, den König an der Spitze, gelaufen kam, aber der Vogel war wieder im Käfig, und der Jüngling verschwunden. Der König mit dem Hofe zog wieder ab und war sehr erzürnt, daß man ihn aus dem besten Schlafe geweckt hatte, um Nichts und wider Nichts. Als nun die Prinzessin wieder aufwachte, und der Jüngling wieder an ihrem Bette stand, schrie sie noch ärger denn zuvor. Dießmal aber drohte ihr der König, wenn sie noch einmal einen solchen Lärm anfange, wolle er ihr gewiß und wahrhaftig den Kopf abhauen. Sie getraute sich nicht mehr einzuschlafen und sah nun, wie das Vöglein aus dem Käfig kam

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_380.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)