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sprach der Schneider „und geh mit vor die Hausthür.“ Das geschah und da sägten sie den Kirschbaum unten an der Wurzel ab und schleiften ihn in die Scheune. „Jetzt sind wir geborgen,“ sprach der Schneider, „nun laß uns lustig leben.“ Da hausten die Beide mit des Bauern sauer verdientem Geld, daß es eine Schande war; Wein und Braten konnte nicht alle werden.

Als der Bauer auf dem Felde mit seiner Arbeit fertig war, trieb er mit seinen Kühen nach dem Dorfe zurück. Da suchte er die Straße hinauf, die Straße hinab nach dem Haus mit dem Kirschbaum davor, aber er fand es nicht und fand es nicht. Die Beiden standen am Fenster, sahen, wie der arme Bauer suchte und lachten. Endlich sprach der Schneider, der doch kein so ganz verdorbenes Herz hatte, wie das Weib: „Wir wollen ihn doch die Nacht noch einmal bei uns logiren lassen. Morgen mag er sehn, wie er sich forthilft.“ Er trat an die Thür und als der Bauer wieder vorbeikam und ein recht betrübtes Gesicht machte, rief er ihm zu und sprach: „Was fehlt euch denn?“ „Ach ich suche mein Haus, davor ein Kirschbaum steht, und kann es nicht finden und habe doch die letzte Nacht darin geschlafen. Sagt mir doch, wo ich mein Haus mit dem Kirschbaum finde,“ bat der Bauer und der Schneider sprach: „Lieber Freund, ich bin in dem Ort geboren und erzogen, aber ein Haus mit einem Kirschbaum habe ich nie hier gesehn. Ihr müßt in einem andern Ort zu Hause sein. Da es aber schon spät ist, so geht mit mir und übernachtet bei mir.“ „Gott lohn's euch!“ sagte der Bauer und bot ihm treuherzig die Hand, dann trieb er seine

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Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Hausmärchen. Göttingen und Leipzig 1851, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Deutsche_Hausm%C3%A4rchen_431.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)