Seite:De Die Chinesische Mauer (Kraus) 15.jpg

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tausendmal mit dem Anderen gerungen, der vielleicht nicht lebt, aber dessen Sieg über ihn sicher ist. Nicht weil er bessere Eigenschaften hat, aber weil er der Andere ist, der Spätere, der dem Weib die Lust der Reihe bringt und der als Letzter triumphieren wird. Aber sie wischen es von ihrer Stirn wie einen bösen Traum; und wollen die Ersten sein.

Sie können es nicht glauben. Bis sie die ziere Dame, jene, die mit dem Ruf „shocking“ auf die Welt kam, in den Laden des chinesischen Wäschers schleichen sehen. Von keiner Garde als von der Moral und etwa dem Vertrauen des liebenden Gatten begleitet. Er ist der Besitzer; er hat ein Recht, nicht zu wissen, was den weiblichen Sinnen, die er reich versorgt hat, der andere Mann bedeutet. Aber wenn er vollends ahnte, wie sie der andere Mann der anderen Rasse beherrscht! Eine Vorstellung, die wie ein Wurm am Gehirn fräße, wenn sie je über die Schwelle dieses Selbstbewußtseins kriechen könnte, wird in dem Wäscherladen von Chinatown täglich hundertmal zur Wirklichkeit. Der Stinkteufel, an dem die weiße Seele erst ihrer Gottähnlichkeit inne wird, hat sich mühelos mit der Frau vergnügt, um die die weiße Seele so oft verschmachtet. Die Schwierigkeit der Verständigung erleichtert den Verkehr zwischen Krämer und Kundin; der Chinese ist ein Muster der Pflichterfüllung. Auch als Kellner stellt er seinen Mann. Seine Teufelsküche hält alle Leckerbissen feil, ja taktvoll geht er selbst auf den

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Karl Kraus: Die Chinesische Mauer. Leipzig 1914, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Chinesische_Mauer_(Kraus)_15.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)