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Der Hauptort des Gerichtes im Bregenzerwald ist Bezau; ein schönes Dorf von 700 Einwohnern, zugleich die Geburtsstätte des gelehrten Chorherrn von St. Florian, Jakob Stülz. Der Ort hat sich in einer geräumigen Abrundung gelagert, die ein Kranz von ernsten Höhen umzieht – es ist noch lange nicht das heitre Lachen der Gegend von Andelsbuch. Eine halbe Stunde aufwärts an der Ache liegt Reute, ein kleines Dorf mit einem besuchten Bade. Da, zu Reute finden wir schon eine sehr erhebliche Anstalt, ein geräumiges Gebäude, einen Garten dabei und einen graduirten Badearzt. Hier gibt es auch bereits Stände. Als wir hinkamen, waren meist Damen da – schöne Fräulein aus den Seestädten, aus Feldkirch, schöne Jüdinnen von Hohenems, freie Schweizerinnen nebst einigen Müttern. Herren fehlten und schienen allerdings vermißt zu werden – was ist ein Badeleben ohne Paladine! Außer diesen Damen der „gebildeten Stände," die sich etwas abzugränzen suchten, fand sich auch einiges Frauenzimmer vom Lande vor, das wieder unter sich zusammenhielt. Dieser Gliederung der Gesellschaft entsprechen auch die Einrichtungen der Anstalt. Es gibt für die Stadtleute einen Tisch zu einem halben Gulden und einen billigern für das Landvolk. Der Besuch hält sich durchschnittlich zwischen fünf- und sechshundert Gästen, und Reute ist daher der bedeutendste Curort in Vorarlberg. Die Landschaft ist mit waldigen Hügeln besetzt und etwas enge. Die Spaziergänge führen nach den nahen Dörfern, nach Bizau, von wo die Schnepfeck bestiegen wird, ein mit Laubwald bewachsener Hügelrücken, den eine Capelle des heiligen Wendelin schmückt, nach Mellau, wo ein schöner Wasserfall, oder über die Bezeck nach Bezau.

In dieser friedlichen Revier stehen weiter unten jenseits der Ache auf wechselnden Höhen die Häuserhaufen von Schwarzenberg, wo der Vater der Angelica Kaufmann seine Heimath hatte Sie selbst wurde bekanntlich 1741 während eines vorübergehenden Aufenthaltes ihrer Eltern zu Chur, der Vaterstadt ihrer Mutter, geboren, und verlebte nur wenige Monate auf den grünen Hügeln von Schwarzenberg. Ihr Vater zog dann für lange Zeit ins Veltelin und nach Mailand, und erst in ihrem fünfzehnten

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_049.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)