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Es war an einem schönen Sommersonntag des Jahres 1843, als unser drei Gefährten den großen Flecken Oberstdorf, der zwischen hohen Bergen in weiten frischen Wiesen liegt, verließen und oft zurückblickend auf das billigerweise vielgerühmte Thalgelände die Höhe hinankletterten, die nach Kornau und von dort an die Walserschanze führt. Dieß ist eine kleine Mauthstation mit einem Wirthshäuschen, wo die Gäste, die des Sommers über aus dem bayerischen Schwaben in Oberstdorf und dem Tiefenbacher Bade zusammenkommen, sich gerne einfinden, um den Tirolerwein zu verkosten. Den Namen hat der Ort daher, daß hier im Jahre 1632 nach den Pfingstfeiertagen eine Schanze gegen die Schweden aufgeworfen wurde. Jetzt sieht man wenig mehr davon; das Schanzthor und der Wachtthurm sind vor Jahren wieder abgebrochen worden.

Ehe diese Labestätte erreicht wird, ist rechter Hand vom Wege eine Merkwürdigkeit mitzunehmen, nämlich die Walserklamm oder Zwing, will sagen, ein Tobel, wo der Bach zwischen senkrechten Felsenwänden in tiefem Bette dahin tost. Der Blick aus dem Tannenwalde in die Schlucht hinunter ist schauerlich, das Ganze aber für den der die Klamm bei Finkenberg im Duxerthale und jene wunderbare am Schwarzenbach bei Unken an der Salzburgischen Saale angestaunt hat, nicht besonders eindrücklich. Die Zöllner auf der Schanze sind in Oberstdorf als grimmige verschrien, deßwegen schlüpften unsre Reisenden, aller Durchsuchung feind, ohne Geräusch um den Schlagbaum und gelangten unbeschrien ins Kaiserthum Oesterreich, hatten dagegen auf den Wein im Wirthshause, der schon so viele ihrer Landsleute erquickt hat, für dießmal zu verzichten. Je mehr sie auf Riezlern, die vorderste Kirche des Thales, zukamen, desto vollkommenere Einsicht gewannen sie in die Art der Gegend. Dieser gebricht es an eigentlicher Thalsohle nahezu eben so sehr, wie dem innern Land der Walser, aber die Halden laufen hier nicht so entschieden und so eilfertig aufwärts, sondern lehnen sich bequemer an die höhern Berge, machen sich breit und verbuckeln sich allenthalben, und auf allen Büheln und in allen Mulden stehen Häuser, fast ununterbrochen vom Anfang bis zum Ende, und zwar hölzerne schuppige Häuser wie im Bregenzerwald;

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_075.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)