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Bludenz, die kleinste der drei vorarlbergischen Städte, hat an der engen Hauptstraße hübsche Häuser, unter denen Bogengänge hinlaufen. Die Kirche steht über dem Städtchen auf einem Hügel mit angenehmer Aussicht in das grüne, fruchtbare und fleißig bebaute Thal der Ill, welches freilich in naher Ferne von hohen waldigen Bergen umschlossen wird. Auf dem Friedhofe sind Arkaden, wie zu Feldkirch mit Grabsteinen ausgelegt. Auf der äußern Wand des Beinhauses ist ein anziehendes Bild aus dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts zu sehen. An die Kirche stößt das Schloß der Freiherren von Sternbach, welches Gayenhofen heißt.

Die Geschichte weiß nicht viel Erhebliches von der Stadt Bludenz zu erzählen. Sie wird im zehnten Jahrhundert zum erstenmale genannt und gehörte später den Montforten von Werdenberg. Graf Albrecht von Werdenberg, der keinen Sohn hatte, verkaufte sie und die Herrschaft mit Vorbehalt lebenslänglichen Besitzes im Jahre 1394 an Herzog Albrecht von Oesterreich. Zwei und zwanzig Jahre später begab sich folgende Geschichte, die man in neuerer Zeit wieder in einer alten Handschrift aufgefunden hat: Herzog Friedrich, der Graf zu Tirol, kam einst in finstrer Nacht, der Haft zu Constanz entflohen, vor die Thore dieses Städtchens, welches ihm erst wenige Jahre vorher zugeschworen hatte. Der Wächter verweigerte den Einlaß, wollte ihn auch dann nicht gestatten, als sich Friedrich genannt hatte, und meinte: es seien schwer seltsame Lauf’ vorhanden; man lat jetzt nit ein jeglichen gleich in. Der Herzog berief sich auf einen Bludenzer Bürger Namens Schedler, der denn auch herbeikam und ihn erkannte. Als der Wächter sah was vorging, fiel er dem Herzog zu Füßen; dieser aber setzte sich mit den getreuen Bürgern von Bludenz zum Mahle, lud auch jenen als Gast und schenkte ihm für seine treue Burghut eine Gabe.

Bludenz ist der letzte Ort vor dem Arlberg wo Wein gebaut wird. Die Straße über diese Höhe bringt viel Leben in das kleine Städtchen, und im Posthause fehlt es zu allen Tagzeiten nicht an fremden fahrenden Leuten.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_115.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)