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schon ganz finstern Kammer aufthat, kam mir aus dem schwarzen Gemach der übelriechende Qualm einer geheizten Kinderstube warnend entgegen. Die „Goben“ fingen noch heftiger zu schreien an, eine kreischende Altweiberstimme klang abwehrend dazwischen und ein schwarzer Spitz, der eine Katze verfolgte, fuhr mir ahnungsreich durch die Füße. Das war zu viel auf einmal – auf nach Talaas!

In meiner Eile und bei so später Tageszeit konnte ich auch die kleine Kirche zu St. Agatha nicht mehr besehen, die beim Volke als die älteste des Montavons gilt, im Aeußern der von St. Martin bei Ludesch ähnlich ist, und im Innern noch sehr alterthümliches Aussehen bewahrt hat. Auch der heilige Theodul ist darin aufgestellt, weil im Silberthale unten einst Walser seßhaft waren. Bald war ich oben auf dem Grate und dort erlaubte ich mir noch einmal umzublicken auf das nachtende Thal und stand staunend da, als ich mir gegenüber die blendend weißen Hörner des Rhätico erblickte, die auf der goldnen Glorie des letzten Abendlichtes in wunderbarer Herrlichkeit emporstiegen, hoch erhaben über alle Berge die man sah. Vor mir aber, und dieß war das Schauerliche, gähnte gerade hinunter ein höllenschwarzer Schlund und drüben ganz nahe drohten breitschultrige finstre Bergwände, viel höher als der Christberg. Aus der Schlucht blinzelte kein Licht herauf, kein weißer Punkt bedeutete ein Häuschen, die Waldvögel hatten ausgesungen und die Abendglocken waren auch schon lange verklungen – es war Alles stille und schwarz wie eine ungeheure Gruft, in der die Lampe ausgelöscht. Ich kam mir sehr einsam vor in meiner Höhe und dachte ziemlich übel von der spröden Montavonerin, die mich mit so schnöden Worten in die größte Gefahr gejagt, gegen Talaas hinunterstürzend, das Genick zu brechen.

In solchen Gedanken setzte ich an und verfolgte sorgsam den jähen Steig, der in unaufhörlichem Zigzag, holperig, schmal und abschüssig zu Thal führte. Je tiefer hinunter, desto finsterer, und als ich schon übersatt der Mühsal, bald „am Land“ zu seyn vermeinte, kam ich auf ein frei vortretendes Wiesplätzchen, und genoß da das wenig tröstende Vergnügen,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_120.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)