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Galthür. Wer aber von Partenna aufwärts wandert, hat, wie wir schon angegeben, über drei Stunden, vielleicht gegen vier zu gehen, denn der Weg steigt beständig in die Höhe und ist stellenweise sehr steil; nach Galthür hinab dagegen führt ein ebener Pfad d. h. was man im Gebirge eben nennt, ohne jähe Steige, in sanfter Senkung. Daraus kann man abnehmen, daß Galthür beträchtlich höher liegt als Partenna, und es ist nicht zu verwundern, daß es um letzteren Ort noch Obstbäume gibt, während der hintere Theil des Paznauns nur Wieswachs hat.

Nicht weit von der Galthütte, schon auf tirolischem Boden, öffnet sich zur rechten Hand in der Tiefe ein Thal, das im hintersten Winkel an Gletschern und Schneefeldern seinen Anfang nimmt, dann aber fächerartig zu geräumiger Weite sich ausdehnt. Die flache Sohle des Thales ist breiter Gries, daneben ein grüner Streifen Alpenweide. Im Gries rinnt die Trisanna heraus, die durch das Paznaun hinunterströmt und bei Landeck, vorher schon mit der Rosanna vereint, in den Inn fällt; ganz hinten aber in der Ecke der Eisberge, sagte der Mann von Partenna, finden sich eingestürzte Mauern und Gewölbe eines steinernen Wirthshauses, das einige der ältesten Männer der Gegend noch aufrecht stehend und ganz unversehrt gekannt haben wollen. Dieß Gebäude soll vor langen Zeiten von den Engadeinern erbaut und in seiner Umgebung, am 14 September, der große Viehmarkt gehalten worden seyn, welcher später nach Tirano im Vältelin verlegt worden – ein Beisatz, der etwas räthselhaft klingt. Auch wollen etliche noch eine Jahrzahl auf der Mauer lesen, und so viel sey ganz gewiß, daß man vor etlichen Jahren dort Wagenschienen gefunden. Ehedem sey da überhaupt, was wohl zu glauben, ein gangbarer und vielbetretener Paß ins Engadein gewesen und die Ferner hätten sich erst später geschlossen.

Die Trisanna fließt nach Galthür, dem ersten Dorfe von Paznaun, hinaus durch ein ödes Thal, das ganz spitz zulaüft und in seiner Tiefe nur für den Bach und den schmalen Fußpfad Raum läßt. Zweimal jedoch dehnt sich der Bach in einen weiten Wasserspiegel und bildet so zwei seichte Seen.

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_137.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)