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in den dortigen Bergwerken zu arbeiten, und wieder andre suchten im heiligen römischen Reich Verdienst als Holzarbeiter. Arme Eltern schicken noch jetzt ihre Knaben vielfach „ins sogenannte Schwabenland" zum Viehhüten. Da gehen sie wohl, wie die Montavoner, auf die großen Knabenmärkte zu Ravensburg und Leutkirch. Von dem alten reichen Verkehr zu Ischgl soll, nach der Behauptung des Chronisten, der aber unverkennbar ein laudator temporis acti ist, zum Andenken nichts übergeblieben seyn als schöne Häuser, Hoffart und anderer Luxus, wogegen der Sohn die guten Folgen des früheren Wohlstandes gerne darin anerkennt, daß viele junge Leute zu den Studien gesandt wurden und mit verfeinerter Gesittung wieder zurückkehrten, daher auch in Ischgl einnehmende Bildung verbreiteten, welche im Bunde mit der angebornen Gutmüthigkeit die Einwohner noch immer merklich auszeichnet.

Unter den starken Leuten wird Christian Bernhard erwähnt, welcher einstens eine Kuh, die in den Bach gefallen, herausgezogen und wieder auf den Weg getragen habe. Davon soll er mit dem Namen Kuhhautchristel beehrt worden seyn. Herzog Sigismund, der an solchen Leuten seine Freude hatte, ließ ihn, als sein Ruhm nach Innsbruck gedrungen, an den Hof berufen, wo er versuchsweise den stärksten der herzoglichen Trabanten niederschlug. Dieß Zeugniß nahm aber der Herzog übel und ließ ihn wieder ziehen.

Als ein alter, jetzt abgekommener Gebrauch wird das Blockziehen erwähnt. Ehedem war’s nämlich Herkommen, daß die Burschen zu Ischgl jedes Frühjahr einen großen Lärchenstamm fällten und mit Büschen und Kränzen festlich aufzierten. Dann ward der älteste Junggeselle in phantastischem Verputz darauf gesetzt als ihr Abgott und mit Musik in das Dorf gezogen; Büchsen und Böller krachten feierlich darein. Nachdem der Festzug im Dorfe angekommen und sattsam bewundert war, wurde der Stamm verkauft und aus dem Erlöse Mahl gehalten. Dr. J. Zangerl bemerkt dazu, diese Festlichkeit sey im Jahre 1834 das letztemal gehalten worden und könne daher noch nicht als veraltet gelten, werde übrigens nur dann geübt, wenn während einer Fastnacht kein lediger Mann

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_143.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)