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Oberinnthal, Oetzthal und Schnals.


Landeck ist ein Dorf, wie anderswo oft nicht die Städte sind – anderthalbtausend Einwohner, ansehnliche Häuser, an den Anhöhen malerisch aufgestaffelt, reinliche Gassen, eine schöne Brücke, eine große gothische Kirche, ein stolzes Schloß in der Höhe – dazu ein muthiger lebendiger Strom und ragende Berge. Dieses Dorf liegt zu zwei Theilen auf beiden Seiten des Inns und heißt der eine linker Hand Perfux, der andre Angedair, wunderliche Namen, deren Bedeutung Niemand weiß.

Die schöne Kirche zu Landeck steht auf einer Höhe über dem Dorfe und würde noch viel bessern Eindruck machen, wenn sie nicht in neuerer Zeit aufs albernste herabgeweißt worden wäre. Die Sage von der Gründung des ersten Gotteshauses ist vorne im Chor auf einem Gemälde dargestellt. Man erfährt daraus daß vor sechshundert Jahren oben im Gebirge auf Trambs ein bäuerliches Ehepaar gelebt, dem ein Wolf und ein Bär zwei Kinder fortgetragen. Die hülflosen Eltern stiegen eiligst herunter zu Marien „im finstern Walde," die in jener Zeit auf dieser Stelle verehrt wurde und gelobten in der Angst ihrer Seele eine Kirche daselbst zu erbauen. Und während sie beteten, trugen Wolf und Bär die Kinder im Rachen herbei und legten sie unversehrt vor den Eltern nieder. Darnach entstand da eine vielbesuchte Wallfahrt, die man seiner Zeit zu Unsrer lieben Frau im finstern Walde nannte. Die jetzige Kirche ist aber spätern Baues und wohl erst mit dem Jahre 1506 vollendet worden, wie die Jahreszahl andeutet,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_211.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)