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die prächtige Vorhalle erinnert an jene Tage; auch etwa, doch mißliebiger, das Burgverließ. Die Stuben des Burggesindes lassen sich noch leicht unterscheiden von den Herrenkämmerchen. Mehrere von diesen sind obwohl in späterem Geschmacke getäfelt. Einige derselben werden bewohnt und dienen armen Leuten zum Unterschlu[p]f. Die Aussicht ist besonders lobenswerth. Die schönen Straßenzeilen des Dorfes, stufenweise übereinander, der grüne Fluß und die weißen Gebäude, die auf der Höhe des andern Ufers aus Büschen und Bäumen hervor scheinen, sind ein lustiger Vorgrund – drüben jenseits des Zusammenflusses der Sanna mit dem Inn steht der Burgstall von Schrofenstein im wilden Park und daneben, schon wieder auf ganz anderm Grunde, das alte Dorf zu Stans, erhaben auf seinem Berghang, dessen reicher Fruchtwald auf dem obern Plane verhüllend über die Dächer der Häuser gewachsen ist und kaum dem Kirchthu[r]m noch die Freiheit läßt hervorzuspitzen, während von der untern Halde der grüne Rasen weggespült und so die braune Erdwand zu Tage gekommen ist. In der Höhe überall kahle Hörner mit silbernem Scheitel.

Landeck ist übrigens ein lebendiger und wohlhabender Ort. Es gehen hier drei vielbefahrene Straßen auseinander – die eine über den Arlberg, die zweite nach Innsbruck, die dritte über Finstermünz nach dem Süden. Daher viel Geschäft mit Fuhrwägen und Reisenden und deßwegen auch drei große Gasthöfe, städtisch eingerichtet und mit allen erlaubten Bequemlichkeiten versehen. Urichs Haus und das Jäger’sche gehören zu jenen tirolischen Landwirthshäusern, in welchen die Leute freundlicher, die Bedienung besser, die Einrichtung anmuthiger und die Rechnungen billiger sind als in der Stadt. Die Landecker Post aber haben die reisenden Engländer in den Fremdenbüchern weit und breit dergestalt überschrieben und schlecht gemacht, daß sie wenigstens anglomanen Deutschen nicht empfohlen werden kann. Nosse bonos libros magna pars est eruditionis, schrieb einmal ein seliger Gelehrter, und so mag man auch einen großen Theil der Kunst angenehm zu reisen auf die Kenntniß von den guten Wirthshäusern zurückführen. Die Engländer, das praktische Geschlecht, das sonst Niemanden sorgfältiger aus dem Wege geht

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_214.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)