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Fahren wir nun, um schneller ins Oetzthal zu gelangen, am Inn hinab nach Imst. Der Fußweg auf dem rechten Ufer, der über liebliche Berghalden nach Schönwies führt, soll zwar noch um ein Gutes anziehender seyn als die Landstraße, es ist aber nicht möglich alle schönen Steige abzulaufen, und über die Straße selbst ragt die wilde Natur des Innthales mächtig genug herein, um uns mit dem, was wir sehen, zufrieden zu stellen. Bald kommt man nach Zams, welches noch in fruchtbarer, geräumiger, mais- und obstreicher Feldmark liegt und als die älteste Pfarre in weiter Gegend bekannt ist, von der noch jetzo vieler Dörfer Seelsorgen abhängen. Links über dem Inn hinter dem Weiler Letz in einer schaurigen Felsenhöhle tost ein herrlicher Wasserfall, den man nicht wie wir vorbeigehen soll. Dann sieht man, wie sich Kronburg erhebt, eine alte Veste, die einst den Starkenbergern gehörte und von Herzog Friedrich gebrochen wurde, noch in den Trümmern stolz und herrschend auf einem Felskegel, der selbst ungemein ernst und groß aus dem Thale aufsteigt, frei von allen Seiten und im schönsten Ebenmaße vom breiten Fuße zum spitzen Haupte sich verjüngend. Lange will sich das Auge nicht von dieser Erscheinung abwenden, von dem gekrönten Berge, der wie ein Fürst in der Landschaft sitzt, drohend und Verehrung heischend. Die Gegend ist sonst hier herum wild und enge; scharfe Wände stehen am Wege, Wasserfälle schäumen herunter. Erst allmählich bildet sich wieder breiterer Thalgrund, in dem sich leider auch der Inn mehr gehen läßt und oft überfluthend viel weiter greift als er soll. In solcher fruchtbaren Fläche liegt ein freundliches Dorf, Mils benannt, und diesem gegenüber das Dörfchen Untersauers, welches, wie Staffler bemerkt, eine Colonie von Landfahrern ist, die meistens nur dort verweilen, um von ihren Zügen auf einige Zeit auszuruhen. Diese Landfahrer oder Lahninger, Dörcher, wie man sie jetzt gewöhnlich nennt, sind ein seltsamer Schlag von Leuten, und führen ein abenteurliches Leben. Sie kommen hauptsächlich im Oberinnthale, etwa von Imst aufwärts bis gegen Nauders vor. Ihr eigentliches Wesen ist, daß sie das ganze Leben in der Welt herumfahren und mit Obst, Geschirr und andern kleinen Waaren handeln. Viele

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_216.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)