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aber eine Art gewiß nicht ungerechten Aergers abgedrungen, indem ich mein geliebtes heimathliches Thal so dargestellt sah, als wären wir erst seit vorgestern aus den Wäldern hervorgegangen und noch immer vom tiefsten Aberglauben umnachtet.“ Deßwegen glaubt er auch feierlich versichern zu müssen, und erbietet sich sogar zum Nachweise, daß die meisten dieser schönen Mähren „die meisten der in diesem Aufsatze vorkommenden Anekdoten entweder im ganzen Oetzthale unbekannt, oder von dem Herrn Verfasser eigentlich mährchenmäßig verstellt, oder daß sie höchstens an langen Winterabenden in der Kunkelstube erzählt worden, nicht als werde daran geglaubt, sondern um zu kurzweilen.“ Wunderlich ist die Andeutung, daß die Mährchen deßwegen nicht zur Nacherzählung geeignet seyen, weil sie nur in den Kunkelstuben erzählt werden, als wenn nicht gerade da ihr sicherstes Asyl wäre. „Denn da in der Zeit von sechs bis neun Uhr an den Winterabenden, wo die Landleute beim Span-, Kien- oder Oellicht zusammensitzen, da vorzüglich theilt eine Generation der andern ihren Schatz von Erfahrungen und Lebensansichten mit; da wird der ganze Vorrath an volksmäßigen Dichtungen, Erzählungen, Mährchen, Liedern durchgegangen und mitunter durch neue Zugaben aus der Zeitgeschichte vermehrt. Bei keiner andern Gelegenheit, selbst beim Bierkruge nicht so sehr als da, kommt das reiche Capital an natürlichem Witz in Umlauf, mit dem das Volk ausgestattet ist.“*)[1] Uebrigens mag sich der Leser wieder beruhigen, denn ein Freund, der dazumal mit Herrn von Badenfeld im Oetzthale wanderte, hat uns versichert, daß bei Sammlung dieser Mähren alle wünschenswerthe Vorsicht und Unbefangenheit obgewaltet habe.

Die lachende Flur von Lengenfeld endet eine Stunde oberhalb des Dorfes in abermaliger Wildniß. Hier wieder schwere Berge, die eng aneinander treten und in ihrem Trachten sich nahezukommen den Bach aufs neue fürchterlich reizen. Auch der Weg muß sich oft recht ärmlich schmiegen und drücken. Zuweilen wird’s weiter, aber nicht freundlicher. Dunkler Fichtenforst,


  1. *) S. Schmellers bayer. Wörterbuch. 4, 56.
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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_228.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)