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sein väterliches Erbe. In dieser Wildniß hat nämlich, wie alte ehrwürdige Sagen berichten, Herzog Friedrich mit der leeren Tasche eine Zuflucht gefunden als er geächtet und gebannt heimlich dem Costnitzer Concil entflohen war (1416). Dazumal, als hundert Feinde ihm nachstellten und der eigene Bruder nach der Grafschaft Tirol strebte, lebte Friedel manchen stillen Tag auf dem Rofnerhofe und die Rofnertochter soll sogar ihr Herz an ihn verloren haben. Später, als er wieder zu seinem Lande gekommen war, gedachte er dankbar dieses Asyls und verlieh dem Hofe ausgezeichnete Ehren, Steuerfreiheit nämlich und die Rechte einer Freistätte. Erstere genießt er noch, letztere ging unter Joseph II ein. Auch wurde der Hof zu einem eigenen Burgfrieden erhoben und dem Schloßhauptmann zu Tirol untergeben. Noch zur Zeit aber spricht Nicodemus von seinem Hof nicht anders als ein Ritter von seiner Burg, und es nimmt sich sehr stolz und fürnehm aus, wenn der Bauer etwa anhebt: So lange ich auf Rofen sitze u. s. w. Uebrigens gehörte auch die Gemeinde Vend bis in dieses Jahrhundert herein ins Gericht nach Castelbell im Vintschgau und ins Bisthum Chur. Jetzt steht sie sammt den Rofner Höfen unter dem Landgerichte zu Silz im Innthale und unter dem Bischofe zu Brixen.

Obengedachter Wildsee im Rofnerthale wurde in letzterer Zeit öfter besprochen; aber schon im Jahre 1773 hat er einem öffentlichen Lehrer an der Universität zu Wien, Namens Joseph Walcher, ein gutes Schriftchen entlockt: „Nachrichten von den Eisbergen in Tirol,“ wohl die ersten, die über diese entlegene Gletscherwelt unter das deutsche Publicum gebracht worden. Damals wo Niemand ohne Schauer an diese winterlichen Einöden dachte und die weißen Fernerketten nur allmählich die Augen neugieriger Naturforscher auf sich zogen, damals mag dieß Büchlein den Leser sehr überrascht haben. Wir lernen daraus unter anderm, daß zu jener Zeit noch manche der Meinung seyn konnten, es hätten die Gletscher in Tirol erst im dreizehnten Jahrhundert ihren Anfang genommen, indem damals mehrere sehr kalte Winter aufeinander gefolgt seyen und sich deßhalb auf den hohen Bergen das Eis dergestalt

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol, München 1846, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_240.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)