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Bächlein vorbei, welches sich in den Reschensee ergießt. Jener stürzt bei Finstermünz in den Inn, mit diesem in die Donau und kommt so bei Sulina ins schwarze Meer; dieses gibt sein Wasser an die Etsch ab, die aus den drei Seen auf der Haide wegfließt, um in das Meer von Adria zu eilen.

Die drei Seen, die nun nacheinander folgen, gehören zu den unbesungenen. Sie sind klein, liegen in rauher, kalter Gegend und die lange Strecksicht über diese Wasserspiegel hinab ist nur dann anziehend, wenn sie der unbewölkte Ortles schließt. Ein Werth bleibt ihnen aber immer, nämlich der eines reichen Fischsegens. Kein Wunder, daß da die frommen Stifter ihre milde Hand auf die Wässerlein legten, und so gehörte denn die Fischenz in den beiden obern ehemals dem Cistercienser Kloster zu Stams, in dem untern aber der Carthause zu Schnals. Jetzt ist sie freilich nicht mehr in solchen Händen, sondern bei Bauersleuten, die an den Gestaden wohnen und alle Wochen mit den Fischen bis gen Meran fahren.

Am obersten dieser Seen liegt das Dorf Graun am Karlinbache. An diesem Bache hin steigt man nach Langtaufers, und von dort aus führt rechts ein beschwerlicher Weg über die Gletscher nach Rofen im Oetzthale, links ein Saumschlag ins Kaunserthal und nach Prutz. Ehe Kaiser Max den Paß über Finstermünz eröffnete, war dieser kümmerliche Pfad voll lebhaften Verkehrs, als der einzige, welcher Obervintschgau mit Oberinnthal verband. Noch erinnern die landesfürstlichen Wappen auf manchem Hause im Kaunserthale, wo vordem Amtleute und Zöllner gewohnt, an jene Zeiten. Seitdem war diese ehemalige Handelsstraße ganz verschollen, bis sie im März 1799 wieder einigermaßen ins Gedächtnis der Mitwelt gerufen wurde, als General London die der Niederlage bei Taufers entronnenen Heerestrümmer von Graun weg in die Sicherheit des Kaunserthales geleitete.

Zu Haid im Dorfe hat ums Jahr 1140 (?) Ulrich Primele von Burgeis ein Hospital zu St. Valentin gestiftet, den Reisenden zum Schutz und Obdach in den Winterstürmen, die hier mit schrecklichem Schneegestöber durch das Thal hinfahren und die Pilger verwirren, verschlagen und vereisen.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_281.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)