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deutsche Sprache hier verbreitet gewesen, oder wenigstens zeigen die Geschlechtsnamen, daß viele deutsche Familien da seßhaft waren. Immerhin ist zu bedenken, daß das Deutsche, welches von Meran und von Landeck her getragen wurde, im Hauptthale viel früher Fuß fassen mußte als in den unwegsamen Zuthälern von Taufers und von Matsch.

Eine gute Stunde unterhalb Schluderns geht rechts die Straße ab, welche über das Wormserjoch ins Veltelin führt und erst in den zwanziger Jahren beendigt worden ist. Sie steigt da von Prad an aufwärts, anfangs im engen Thale, dann wendeltreppenartig an nackten Höhen hin, zur Linken die ungeheuren gletscherreichen Halden des Ortles, immer höher bis in die Region des ewigen Schnees, aus welcher sie stets in großartiger Gegend rasch hinunterzieht in die schönen wälschen Gelände. Es ist der höchste fahrbare Paß in Europa, 8900 Fuß über dem Meere, und in Ansehung der schwierigen Ausführung als ein Weltwunder zu betrachten. Deßwegen wurde auch schon vieles darüber geschrieben, was Grund genug ist, hier davon nicht mehr zu reden.

Nicht so schnell können wir den Ortles aus den Augen lassen, den prachtvollen Berg, der das ganze obere Vintschgau mit seiner weißen glänzenden Majestät erfüllt. Die Ortlerspitze ist im Anfange dieses Jahrhunderts zum erstenmale erstiegen worden und die Nachricht davon im dritten Bande des tirolischen Sammlers niedergelegt. Erzherzog Johann machte dazumal seine erste Reise in Tirol und war, als er zuerst des ungeheuern Kegels ansichtig wurde, der Meinung, daß dieser hohe First den höchsten Bergen von Savoyen und der Schweiz wenig nachstehen dürfte. Es war Niemand zur Hand, der diese Meinung bestätigen oder widerlegen konnte; denn noch lag auf dem erhabenen Felsrücken unbetreten der vieltausendjährige Schnee. Der Bergofficier Gebhard erhielt sofort von dem Erzherzog den Auftrag, von Mals aus alles Nöthige einzuleiten, was die Ersteigung herbeiführen könnte. Manche Nachbarsleute versuchten nun, durch die versprochene Belohnung gereizt, ihr Glück, kehrten aber beschämt von den Fernern zurück ohne etwas ausgerichtet zu haben. Jede Hoffnung schien verloren,

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Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_291.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)