Seite:De Drei Sommer in Tirol (Steub) 300.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Meran und seine Umgebung.


Meran ist eine kleine Stadt und hat nur eine Gasse, aber eine hübsche Gasse mit Bogengängen, hier wie in Bozen Lauben genannt, die freundlicher und offener als in der Nachbarstadt, in den heißen Stunden wie beim Regenwetter ein behagliches Lustwandeln gestatten und in der Zeit der Früchte der Sitz der liebenswürdigen Obsthändlerinnen sind, die den Pilger, der im Anfang der Saison in der beglaubigenden Reisejacke vorüberschreitet, so freudenvoll begrüßen, wie Vater Noah seine Taube, als den ersten Vorboten der schönen Zeit, die so viele Fremde bringt, welche einer schwachen Lunge sind und mit dem süßen Traubenfleisch Schlund und Brustkasten auskalfatern und die Lücken zupichen wollen, die der deutsche Winter hineingerissen hat. Besonders anziehend wird der Gast diese Lauben auch an Sonn- und Feiertagen nach dem Gottesdienste finden, wo das Landvolk, das nach altem Herkommen gern zur Predigt in die Stadt geht, hier sich plaudernd zusammenstellt und in seiner trefflichen Tracht und seiner körperlichen Schönheit eine vorzügliche Augenweide darbietet.

Die Gegend um Meran, die man später das Burggrafenamt nannte, ist das Haupt- und Stammgut der alten Grafen von Tirol gewesen und daher kommt es daß Meran, lange Zeit dieser Herren einzige Stadt, im Ansehen die erste des Landes wurde und auch Residenz blieb, als nach dem Erlöschen der Andechser die Besitzungen im Inn- und Wippthale mit den alten tirolischen Herrschaften vereinigt worden, bis endlich Friedrich mit der leeren Tasche den Grafensitz in das junge


Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_300.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)