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braunen Getäfels Fügung und Ornament, die behaglichen Wandbänke, der sonnige Erker, wie der zierlichst bemalte und gemodelte Ofen, vor allem vier Wappenbilder, meisterhaft geschnitzt, ober den Thüren deuten auf die Zeit ihrer Einrichtung, den Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts. Der Bindenschild und die fünf Lerchen reden von einem österreichischen Herrn, der Tiroleraar bezeichnet ihn als Landesfürsten, der braunschweigische Löwe gilt als Zeichen seiner Hausfrau. Die Schilde alle bezeichnen uns Herzog Friedrich mit der leeren Tasche als den, der diese Stuben eingerichtet. Man weiß, daß er im Jahr 1414 im October zu Meran Papst Johann XXII empfing, der, seinem Geleite sich überlassend, gen Constanz zum Concilium fuhr. Damals mögen diese Gemächer den Kirchenfürsten und seinen Gonfalonier beherbergt haben. Später, als der „Getreue" seine Redlichkeit mit Acht und Bann büßte und mit dem Adel seines Landes focht, der, auf alten Landesbrauch trotzend, den Fürsten nur neben, nicht über sich dulden wollte, schirmten die stillen Stuben wohl auch den geplagten Herrn, wenn er müde heimkam mit seinem Bauernhäuflein, das ihm die Burgen brechen half.“[1]

Die Meraner Pfarrkirche rühmt sich des höchsten Thurmes in Tirol und ist auch sonst ansehnlich und würdig, an den Außenwänden gleichfalls noch mit alten Gemälden geziert. Sie wurde von Margarethens Vater, jenem Könige Heinrich von Böhmen erbaut, nicht ohne daß ihm eine wohlhabende Bürgerin Vatlina Hemelin mit ihren reichen Mitteln dazu geholfen. Im hohen Thurm hängen sieben Glocken, wohlgestimmt und in klangreichem Accorde ertönend, übrigens mit beschwerlichem Dienste belegt, denn die Meraner Küster gehören zu den fleißigsten dieser Welt. Auch hat man noch nirgends in Deutschland so seltsame Glockenkünste bemerkt, wie hier, wo an den Feiertagen wunderlich wechselndes Geläute erschallt, mit spannenden Pausen, tiefernstem Solo, heitern Duetten, überraschendem Unisono und so fort. Die stolzen englischen


  1. Aus dem Aufsatze J. F. Lentners: des Erzherzogs Johann letzte Reise in Tirol im Mai 1845. Morgenblatt desf. Jahres Nr. 169.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1846, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Drei_Sommer_in_Tirol_(Steub)_302.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)